Jährlichen Stromverbrauch von 30.000 kWh auf 4000 kWh reduziert

15. September 2022

Auch in Schweden gehen die Strompreise durch die Decke. Vor 15 Jahren kostete für den privaten Endverbraucher die kWh noch umgerechnet 10 Cent. Jetzt zahlen wir 32 Cent/kWh für ein Jahr zum Festpreis. Manche Haushalte in Südschweden müssen diesen Winter mit Strompreisen von über 50 Cent/kWh rechnen. Rentner mussten schon ihr Haus verkaufen, weil sie die Energiekosten nicht mehr bezahlen konnten. Die Vorstellung vom schwedischen Modellstaat war einmal.

Übrigens hatte ich bereits am 18. Februar 2021 hier vor einer Energiekrise mit hohen Strompreisen und Stromausfällen durch die Energiewende gewarnt. Leider ist es schlimmer gekommen als ich es mir je vorstellen konnte.

Vor über 16 Jahren kauften wir uns ein Haus in Schweden. Der Vorbesitzer gab an 30.000 kWh pro Jahr zu verbrauchen. In diesen 30.000 kWh sind sämtliche Strom- und Heizkosten enthalten. Wegen der hohen Besteuerung des Heizöls wurde es günstiger mit Strom zu heizen. Dafür hatte die Ölheizung wie in Schweden üblich zusätzlich noch einen elektrischen Heizstab eingebaut, der 13 kWh verbrauchte. Außerdem gab der Vorbesitzer an immer mit aufgekippten Fenstern zu schlafen. Die Fenster selbst waren im guten Zustand, dicht und 3-fach verglast. Dann hat das Haus noch eine Sauna. Wir wissen nicht, wie oft der Vorbesitzer diese nutzte.

In der schlecht isolierten Garage befand sich übrigens auch noch ein Heizkörper der immer an war. Den schalteten wir ab. An einem kalten Wintertag platze er und wir mussten ihn entsorgen. Wir gingen von Anfang an zu einer Stoßlüftung über und konnten den Strombedarf auf jährlich 22.000 kWh senken, was für ein freistehendes Haus in Schweden üblich ist, wenn es mit Strom beheizt wird.

Nach einem Jahr schafften wir uns dann einen Kaminofen an, mit dem wir überwiegend heizten, da das Heizen mit Brennholz etwa 3 Cent/kWh kostete. Mit dem Ofen im Wohnzimmer konnten wir die ganze Wohnung aufheizen, aber leider nicht den Keller. Der Stromverbrauch lag nun bei etwa 12.000 bis 15.000 kWh.

Stromverbrauch Monat für Monat 2016 (hellblau) und 2015 (dunkelblau).

Im Dezember 2015 schafften wir uns Erdwärme an. Die Kosten dafür lagen bei 13.000 bis 14.000 Euro mit allen Arbeiten und dem Bohren des 160 Meter tiefen Bohrlochs. Dieser Preis ist in Schweden durchschnittlich. Wir hatten danach einige Jahre keine Lust mehr mit Holz zu heizen und verbrauchten jetzt zwischen 9000 bis 10.000 kWh pro Jahr. Eine Erdwärmepumpe macht aus einem kW Strom etwa 3 bis 4 kW Heizleistung. Bei Außentemperaturen unter -15 °C ist die Energieeinsparung allerdings vernachlässigbar. Die Erdwärmepumpe schaltet sich dann automatisch ab und schaltet auf einen Heizstab um. Luftwärmepumpen würden schon bei Temperaturen um die Null Grad ihre Energiesparwirkung verlieren. Eine  zwangsweise Umstellung von Erdgas auf Luftwärmepumpen würde in  Deutschland übrigens an kalten Wintertagen zum  Zusammenbruch des Stromnetzes führen. Wenn dann noch durch eine großflächige Hochdrucklage kaum Wind weht, bleiben nur noch wie in der Dritten Welt gezielte Stromabschaltungen übrig.

Ab Herbst 2021 sind in Schweden die Strompreise stark anstiegen. Durch die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie und dem Abschalten und Verschrotten etwa der Hälfte der schwedischen Kernreaktoren trat eine Stromknappheit ein. Zudem war der Winter besonders kalt. Ein Schwerölkraftwerk musste einspringen, um die Grundlast zu unterstützen. Im Dezember mussten wir über 30 Cent/kWh zahlen. Wir heizten nun ausschließlich mit Holz. Der Keller kühlte sich auf 10 °C ab. Das ist die Mindesttemperatur für den Betrieb der Wärmepumpe und des Gefrierschranks. Darunter wir das Öl in den Kompressoren zu zähflüssig und der Verschleiß steigt an. Hochgerechnet kamen wird durch konsequentes Heizen mit Holz auf etwa 7000 bis 8000 kWh pro Jahr.

Da sich auch im Schweden im Juli 2022 ein Explodieren der Strompreise abzeichnete, entschlossen wir uns für einen einjährigen Vertrag mit einer Preisbindung von 32 Cent/kWh.  Bei Strommangel erzeugt Schweden seinen Strom selbst im Hochsommer zusätzlich mit einem Schwerölkraftwerk, was noch kostenintensiver als Erdgas ist.  Schweden befindet sich im europäischen Stromverbund. Nach dem Merit-Order-Prinzip wird auch in Schweden der gesamte Strompreis durch die teuerste Stromerzeugung bestimmt.

Ab August ging dann der bewegliche Strompreis, der für den privaten Endkunden Monat für Monat neu berechnet wird, wieder durch die  Decke. Im Juli kostete der Strom noch etwa 25 Cent/kWh. Im August lag er schon bei über 40 Cent/kWh im Monatsdurchschnitt, wenn man sich nicht rechtzeitig für einen Festpreisvertrag entschieden hatte. Unser Stromzähler kann den Stromverbrauch stündlich dem Stromanbieter mitteilen.

Nun ging es darum weiter den Stromverbrauch zu senken. Sämtliche Steckernetzteile, die nicht unbedingt notwendig waren, wurden aus den Steckdosen gezogen. Es wird nur noch konsequent mit Holz geheizt. Beim Duschen versuche ich Wasser zu sparen.  Die aufheizbaren Handtuchhalter bleiben kalt. Nach Möglichkeit schalten wir das Licht aus. Früher brannte das Licht auch in Räumen, in denen wir uns nicht aufhielten. Inzwischen wurden sämtliche Glühbirnen durch LED-Lampen ersetzt. Die meisten Leuchtstoffröhren sind ebenfalls durch LED-Technik ersetzt. Die elektrische Fußbodenheizung in den Badezimmern kommt selten zum Einsatz. Die Sauna benutzen wir nur noch ganz selten. Ebenfalls abgeschaltet bleiben die fest installieren Infrarot-Strahler auf der Veranda.

Stromverbrauch Monat für Monat 2022 (hellblau) und 2021 (dunkelblau).

Der Hammer war unser Wäschetrockner, den wir uns vor zwei Jahren anschafften. Er verbraucht ausgeschaltet immer noch 10 Watt, was sich pro Jahr auf 88 kWh summiert. Damit könnte man über 150 Stunden lang die Wäsche trockenen lassen. Das entspricht etwa 70 Waschmaschinenladungen. Also trennten wir den Stecker vom Netz.

Vor zwei Jahren ging unsere uralte Gefriertruhe kaputt. Wer ersetzten sie durch einen modernen Gefrierschrank, was unsere Stromkosten ebenfalls senkte.

Über mehrere Wochen ging ich mehrfach das Haus durch und ich schaltete immer mehr Verbraucher ab, die nicht unbedingt notwendig sind. Gekocht wird jetzt immer öfter mit der Mikrowelle. Wenn immer es möglich ist, lassen wir die Wäsche bei Wind und Sonne trocknen. Waschmaschinen und Spülmaschinen lassen wir nur laufen, wenn sie voll sind. Der Kaffee kommt direkt nach der Zubereitung mit der Kaffeemaschine sofort in eine Thermoskanne. Als Rechner kommen nur noch Laptops zum Einsatz, die weniger Strom benötigen als Desktop-Rechner.  Filme schaue ich mir vermehrt auf meinem Smartphone an. Das Notebook schalte ich nur ein, wenn ich es wirklich benötige.

Stromverbrauch Tag für Tag im August 2022 (hellblau) und im August 2021 (dunkelblau).

Zum Schluss kamen wir auf einen Verbrauch von 310 bis 330 kWh pro Monat. Das macht im Jahr gerundet 4000 kWh. Arbeitskollegen meiner besseren Hälfte berichteten von ähnlichen Erfahrungen, dass es gelingt die Stromkosten um die Hälfte zu reduzieren.

Die Stromkosten liegen jetzt jährlich bei 1280 Euro ohne die monatlichen Grundkosten. Dann kommt noch das Brennholz hinzu, das sich ebenfalls verteuert. Wir rechnen mit einem Festmeterpreis von 70 Euro und einem Verbrauch von 8 Festmetern pro Jahr. Das macht 560 Euro pro Jahr für Holz. Die gesamten Energiekosten liegen dann bei jährlich 1840 Euro für einen Zweipersonenhaushalt in einem durchschnittlich isolierten freistehenden Einfamilienhaus aus den 1970er Jahren.

Die aktuellen schwedischen Strompreise am Spotmarkt lassen sich für die Tarifzone 3 (Stockholm) unter https://www.elbruk.se/timpriser-se3-stockholm verfolgen:

Monatlich gemittelte Spotpreise für die schwedische Strompreiszone SE3 (Stockholm). Grün: 2020, Rot: 2021, Blau: 2022. Zu den Spotpreisen kommen noch Gebühren und Steuern. Preise in Öre. 1 Öre = 0,1 Euro-Cent. Die Preise gehen durch die Decke. Stand 15. September 2022 ( Quelle: https://www.elbruk.se/timpriser-se3-stockholm ).

Derzeit sind in Schweden noch 6 Kernreaktoren an drei verschiedenen Standorten in Betrieb ( https://de.wikipedia.org/wiki/Kernenergie_in_Schweden ). Seit 2017 wurden 4 voll funktionstüchtige Kernkraftwerke aus ideologischen Gründen abgeschaltet. Dazu wurde die Kernkraft so hoch besteuert bis sie nicht mehr wirtschaftlich war.

Das für den Notfall gedachte Schwerölkraftwerk Karlshamn läuft nun seit diesem Sommer mit voller Leistung ( https://de.wikipedia.org/wiki/Kraftwerk_Karlshamn ). Es verbraucht 140.000 Liter Schweröl pro Stunde.

Mit dem bevorstehenden Regierungswechsel durch die Reichstagswahl im September 2022 sind weitere Abschaltungen von Kernreaktoren vom Tisch. Die konservativen Parteien, welche die Regierung bilden werden, sind sich einig die Kernkraft weiter auszubauen. Ohne günstige Strompreise und eine zuverlässige Stromversorgung ist der Wirtschaftsstandort Schweden nicht wettbewerbsfähig.

Warum wurden in Schweden überhaupt voll funktionsfähige Kernreaktoren abgeschaltet und zerstört? Die damalige Regierung aus Sozialdemokraten und Grünen beschloss eine so hohe Besteuerung der Kernenergie, dass der Betrieb der Kernreaktoren nicht mehr rentabel war, obwohl Kernenergie zu den sichersten und kostengünstigsten Energiequellen gehört. Der Bevölkerung erklärte man Kernenergie sei zu teuer. Die schwedische Bevölkerung muss für diese Fehlentscheidung nun einen sehr hohen Preis bezahlen. Viele können ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen und sind zum Beispiel als Rentner gezwungen ihr Haus zu verkaufen.

Unterschiedliche Gedanken und Hintergrundinformationen zur Kernenergie und zur Energiewende, welche die derzeitige Situation prägen:

Der Dual-Fluid-Reaktor: Ein sinnvolles Konzept?


Der Dual-Fluid-Reaktor: Ein sinnvolles Konzept?

Über die Zukunft der Kernenergie:


“Gerd Buurmann spricht mit dem Kernenergetiker und Achse-Autor Manfred Haferburg über die Zukunft der Kernenergie in Deutschland und holt später noch Prof. Dr. André Thess zu dem Gespräch hinzu. Prof. Thess ist Initiator der „Stuttgarter Erklärung“, in der deutsche Professoren dazu aufrufen, den Ausstieg aus der Kernkraft rückgängig zu machen.”

Folgen der Energiekrise für Industrie und Gesellschaft: Vortrag von Prof. Dr. Fritz Vahrenholt


“Prof. Dr. Fritz Vahrenholt war von 1991 bis 1997 Hamburger Umweltsenator. Anschließend ging Vahrenholt als Vorstand für Erneuerbare Energien zur Deutschen Shell AG, 2001 wurde er Vorstandsvorsitzender des Windenergie-Anlagenbauer REpower Systems. Danach leitet er die neu gegründete Konzern-Gesellschaft für Erneuerbare Energien der RWE AG, die Innogy GmbH bis 2012. Er ist Mitglied der deutschen Akademie der Technikwissenschaften Acatech. Vahrenholt ist Aufsichtsratsvorsitzender der Aurubis AG sowie Aufsichtsrat der Encavis AG, eines der größten Investoren in Erneuerbare Energien. Der Vortrag beschäftigt sich mit den Auswirkungen steigender Energiepreise auf die deutsche Gesellschaft. Prof. Vahrenholt arbeitet im Kern seines Vortrages heraus, dass die dramatischen Energiepreissteigerungen schon vor dem Ukrainekrieg stattfanden und verortet ihre Ursachen in den politischen Fehlern der vergangenen zehn Jahre. Der Vortrag endet mit konkreten Vorschlägen für die Reform der deutschen Energiepolitik.”

Die Situation spitzt sich zu (15. September 2022): Die Angst vor der Folgen eines Black Outs geht um. Der Tonfall wird schärfer, die Wut kocht hoch, die Maßnahmen werden drastischer. Noch nie wurde es uns allen so bewusst wie abhängig wir vom Strom sind.


“Wir haben es Ihnen hier bei „Achtung, Reichelt!“ vor drei Wochen prophezeit, jetzt wird es wahr: Berlin wird dieses Jahr seine berühmtesten Straßen nicht weihnachtlich beleuchten. Advent, Advent, kein Lichtlein brennt. Nicht eins, nicht zwei, nicht drei, nicht vier, dann steht der Blackout vor der Tür.”

Das Schweizer Endlager: Sievert oder Sauvignon – das Schweizer Endlager

Der russische BN-Reaktor: Ein schneller Brüter für die Transmutation von Atommüll

Was sind die sichersten und saubersten Energiequellen? Kernenergie gehört statistisch gesehen neben Solarenergie  zu den sichersten Energiequellen

Energie und Klima (Vorlesung von 2021): von Prof. Dr. Gerd Ganteför, Uni Konstanz, 40 Abschnitte