Lackieren von ABS-Kunststoff mit der Spraydose am Beispiel eines Telefons

13. September 2022 (aktualisiert am 15. September 2022)

Der Kunststoff ABS lässt sich gut und hochglänzend mit der Spraydose lackieren. Ich habe es an einem Telefongehäuse ausprobiert, das durch seine Rundungen, Ausbuchtungen und Verwinkelungen eine Herausforderung darstellt. Nachträglich wurde poliert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Das Umlackieren eines alten Telefons ist ein Vorgang, der wohl überlegt sein will, da dadurch der Originalzustand zerstört wird. Manchmal kommt man um eine Neulackierung nicht herum, wenn das Gehäuse starke Beschädigungen in Form von ausgebrochenen und geklebten Teilen, gespachtelten Flächen, Rissen oder tiefen Kratzer aufweist. Ich bin kein gelernter Lackierer und lackiere mit zwei linken Händen nur gelegentlich ein paar kleinere Projekte. Trotzdem war das Resultat ein voller Erfolg. Dazu sind nur ein paar grundlegende Dinge zu beachten.

Siehe auch für Rückfragen und Anregungen meine Beitrag auf https://www.wumpus-gollum-forum.de/forum/thread.php?board=73&thread=77

In meinem Fall handelt es sich um ein graues Ericsson Dialog aus den 1960er- oder 1970er-Jahren. Dieser Typ kommt auf schwedischen Flohmärkten sehr häufig vor. Sie werden dort für um die 5 Euro angeboten. Mein Exemplar war in einem sehr schlechten Zustand, da sich einige Kunststoffteile aus ABS altersbedingt bräunlich verfärbt hatten. Die meisten Ericsson Dialog sind grau.

Sehr viele Kunststoffgehäuse bestehen gewöhnlich aus ABS, weshalb diese Anleitung nicht nur auf Telefone beschränkt ist. ABS darf nicht mit Alkohol oder gar Aceton gereinigt werden. Besonders Aceton löst ABS auf. ABS ist beständig gegen Bremsenreiniger, das aus hochreinem Benzin besteht.

Das hochglänzende Telefon nach dem Umlackieren und Polieren als Blickfang in der Küche. Nicht schlecht für den Anfang. Die Ericsson Dialog gab es auch in schwarz. Das Erscheinungsbild entspricht also von ein paar kleinen Details dem Original.
Altes Ericsson Dialog im schlechten Zustand. Nur wenige Kunststoffteile haben noch ihren ursprünglichen grauen Farbton bewahrt. Haube und Hörer haben mit den Jahren einen bräunlichen Farbton erhalten. Er lässt sich weder herauspolieren noch wegschleifen.
An einer Ecke befinden sich Beschädigungen durch ein altes Klebeband, das die Kunststoffoberfläche chemisch verändert hatte.
Am Hörer und seiner Kabelbefestigung für die Zugentlastung ist der Farbunterschied besonders deutlich erkennbar.

Um das ursprüngliche Erscheinungsbild wieder herzustellen, entschloss ich mich für eine Neulackierung. Leider gab es in dem Malergeschäft meiner Wahl keine Spraydosen mit einem einem Grauton. Allerdings gab es hochglänzenden, schwarzen Lack. Das Ericsson Dialog gab es in geringen Stückzahlen auch in  einer schwarzen Ausführung. Deshalb entschloss ich mich nach sorgfältiger Abwägung der Umstände spontan für ein Umlackieren.

Diese Produkte kamen zum Einsatz. Außerdem ist noch Schleifpapier mit den Körnungen 1200, 1000, 600 und 400 für den Nassschliff zu beschaffen.

Der Lack aus der Spraydose: Als hochglänzenden Lack diente Belton SpectRAL. aus der Spraydose mit dem tiefschwarzen Farbton RAL 9005. Nach 20 Minuten ist der Lack staubtrocken und kann nach wenigen Stunden nass geschliffen werden, falls Nasenbildungen und Orangenhaut eine weitere Lackierung erfordern. Laut Datenblatt basiert dieser Lack auf der Basis von Nitrokombinationsharzen.

Gute Erfahrungen hatte ich auch mit Acryllack gemacht, das ebenfalls schnelltrocknend ist und sich auf Hochglanz polieren lässt. Alkydlack werde ich nicht mehr einsetzen. Zum einem riecht er immer noch nach Monaten unangenehm. Zum anderen können Lackierfehler erst nach Tagen herausgeschliffen und poliert werden. Leider ist die Trockenzeit bei Alkydlack sehr lang. Für Alkydlack spricht sein hoher Glanz und seine mechanische Beständigkeit.

Vorgehensweise: Das Telefon ist seine sämtlichen sichtbaren Kunststoffteile zu zerlegen, um jedes einzelne Teil lackieren zu können. Die Fingerlochscheibe aus durchsichtigem Kunststoff wird natürlich lackiert. Sie lässt sich wie die verchromten Metallteile mit Autolackreiniger auf Hochglanz polieren.

Die Oberflächen sind vor dem Lackieren mit 1000er bis 1200er Schleifpapier gleichmäßig matt und nass zu schleifen. Tiefere Kratzer können mit 400er und 600er  Schleifpapier herausgeschliffen werden. Vor dem Lackieren muss die Oberfläche absolut trocken und gleichmäßig matt aussehen. Kratzer dürfen nicht mehr erkennbar sein.

Das Lackieren geschieht bei Raumtemperatur. Unter 15 °C sollte man nicht lackieren. Die Spraydose ist nach Vorschrift genügend lang zu schütteln, damit sich ein ausreichend hoher Druck aufbaut. Die Spraydose kann auch im warmen Wasser erwärmt werden. Übrigens hatte diese Dose mit 400 ml Inhalt für dieses Projekt gerade so gereicht.

Da es mir gelang ohne das Spachteln eine homogene Fläche zu erzeugen, habe ich von einer Grundierung (Filler) abgesehen.

Für die Spritztechnik gibt es zahlreiche Youtube-Filme über das  Lackieren von Autos. Die Spraydose ist wedelnd mit einem Abstand von etwa 20 cm an den Oberflächen mit gleichmäßiger Geschwindigkeit vorbeizuführen. Damit sich keine Triefnasen bilden, ist etwa eine Minute zu waren, wenn die nächste Schicht an die Reihe kommt. Orangenhaut bildet sich, wenn der Sprühabstand zu groß ist. 30 cm waren bei mir schon zu weit. Das Lackieren der Kleinteile war unproblematisch. Die Haube war schon etwas schwieriger. Die Teile sollten 2  bis 3 Schichten erhalten. Bei einer zu dünnen Lackschicht kommt man durch das Polieren und Schleifen schnell wieder auf den Kunststoff.

Man achte  beim Lackieren auf eine staubfreie Umgebung und gute Belüftung. Ein verregneter Herbsttag war ein guter Zeitpunkt für die Lackierung in einer Garage bei geöffnetem Garagentor. Beim Lackieren müssen die Objekte von allen Seiten gut erreichbar sein. Sie sollten sich etwa 1,5 Meter über den Boden befinden. Die Kanten des Objekts dürfen nicht aufliegen. Aus alten Pappschachteln und den Papphülsen von Klopapierrollen lassen sich Abstandshalterungen basteln. Wer noch nie lackiert hatte, sollte mit alten Konservendosen, kleinen Deckeln und Glasbehältern üben.

Ist die Lakierarbeit völlig daneben gegangen, können die verpfuschten Stellen nach einigen Tagen mit Schleifpapier entfernt werden. Hat das Gehäuse starke Riefen, kommt eine Grundierung oder ein Filler zum Einsatz. Danach erfolgt ein Nassschliff.

Vor dem Lackieren schaut man sich das montierte Gehäuse genau an, damit man keine sichtbaren Stellen beim Lackieren übersieht. Mit Klebeband sind alle Gewinde am Hörer zu schützen.

Lackierfehler lassen sich nach einigen Stunden mit 1000er Schleifpapier nass herausschleifen. Anschließend kommt Poliermittel zum Einsatz, das frei von Silikon ist. Gute Erfahrungen habe ich mit Sonax Profiline  Cutmax 6/4 gemacht. Nach 15 Stunden kann der Lack damit auf Hochglanz poliert werden. Von den Kanten sollte man beim Schleifen und Polieren einige Milimeter Abstand halten, damit der Lack dort nicht vollständig enfernt wird. Dann wäre eine erneute Lackierung wieder fällig. Zum Schluss erfolgte eine Behandlung mit Sonax Lackreiniger, das der Oberfläche eine fühlbar glatte Oberfläche verleiht.

Die Seite wurde hier mit 1000er Schleifpapier nass geschliffen und dann poliert. Danach stellte sich eine ebene und spiegelblanke Fläche ein.
Die lackierten Kleinteile. Alleine der Hörer besteht aus fünf Kunststoffteilen.
Der Hörer bekommt ein Podest aus alten Klopapierrollen. Das Gewinde darf nicht lackiert werden. Im ersten Durchgang liegt der Hörer auf seinem Rücken auf einem Karton. Dann wird er umgedreht und auf die Klopapierrollen, die bereits angeklebt sind, gestellt.
Nach der ersten Politur.
Leider habe ich beim Fotografieren den Weißabgleich nicht ganz getroffen. Deshalb der bräunliche Farbton auf dem Foto. Das grau der ursprünglichen Kabel wirkt zudem unharmonisch. Schwarz hat auch den Nachteil, dass jeder Fussel zu sehen ist.
In meiner Schrottkiste befand sich noch schwarzes Spiralkabel. Der durchsichtige Knickschutz muss noch durch einen schwarzen Schrumpfschlauch ersetzt werden.
Die andere Seite. In der rechten Ecke spiegelt sich die Lampe und gibt zu erkennen, dass die Oberfläche noch eine leichte Orangenhaut zeigt, die sich durch gezieltes Polieren beseitigen lässt.
Die Rückseite mit ihrer Griffmulde.
Das Telefon hat nun auch ein Nummernschild erhalten. Als stabile Klarsichtfolie für die Abdeckung des Schildes diente ein Stück aus einer alten Blisterverpackung, die es als Abfallprodukt in Hülle und Fülle gibt.
Der Versuch mit einer alten Reiseschreibmaschine aus den 1950er Jahren das Nummernschild möglichst originalgetreu zu gestalten, scheiterte leider, da das Farbband eingetrocknet war und die Mechanik klemmte. Stattdessen kam ein Laserdrucker und die Schriftart „Courier New“ zum Einsatz.
Das Telefon dient nun in der Küche als Blickfang.
Das Telefon noch ohne Gebrauchsspuren wie frisch aus der Originalverpackung. Auch die Metallteile lassen sich mit dem Lackreiniger aufpolieren.

Kosten und Aufwand: Das Telefon kostete auf dem Flohmarkt umgerechnet 6 Euro. Für das Schleifpapier und die Lackspraydose zahlte ich umgerechnet 15 Euro. Die Kosten für die verbrauchten Poliermittel und das verbrauchte Klopapier berechne ich mit 2 Euro. Die Gesamtkosten liegen bei etwa 23 Euro. Etwa ein Tag Arbeit über mehrere Tage verteilt steckte in diesem Projekt. Der Apparat musste vollständig zerlegt werden, um ihn innen und außen zu reinigen. Der Nummernschalter war schwergängig. Ein Schmieren und Reinigen war notwendig. Der Fliehkraftregler musste neu justiert werden.

Dieses Analogtelefon benötigt keinen zusätzlichen Strom. Mit aufgelegtem Hörer ist es an der Leitung hochohmig. Das heißt, die Fritzbox verbraucht durch den Anschluss des Apparats nicht mehr Strom. Hätte ich ein DECT-Telefon an seiner Stelle eingesetzt, dass 5 Watt benötigt, würden sich die jährlichen Stromkosten auf 0,005 kW * 365 Tage * 24 Stunden * 32 Cent/kWh = 14 Euro belaufen. Bei den inzwischen üblichen Stromkosten von 42 Cent/kWh würden sich die jährlichen Kosten auf 18,4 Euro belaufen. Das Projekt hat sich also nach etwas über einem Jahr auf jeden Fall amortisiert.

Fazit: Das Telefon wirkt wie neu und hatte wahrscheinlich im ursprünglichen Neuzustand nie einen so hohen Glanz erhalten. Nur bei genauem Hinsehen und mit der Lupe sind feine Kratzer und Lackierfehler zu erkennen. Ein Telefon ist nur nach dem Auspacken aus der Originalverpackung frei von Gebrauchsspuren. Es wird also mit der Zeit nicht mehr „überrestauriert“ wirken. Für mich ist es als Sinnbild eines klassischen Telefons ein voll funktionsfähiges Dekorationsobjekt, mit dem man auch noch telefonieren kann.

Der voll funktionsfähige Apparat ist selbstverständlich an meinem eigenen Asterisk-Server über eine alte  FritzBox angeschlossen. Bitte die 1002 nicht zwischen 21:00 und 9:00 MEZ oder MESZ anrufen. Die Klingel ist sehr laut.