Restaurierung des schwedischen Wählscheiben-Telefons Dialog





Restaurierung eines schwedischen Wählscheibentelefons Ericsson Dialog

17.10.2019

In Schweden war das Wählscheibentelefon mit der Modellbezeichnung “Dialog” in den 1960er- bis 1980er-Jahren millionenfach im Einsatz. Auf den Flohmärkten ist es in unterschiedlichen Farben und Zuständen günstig zu erwerben. Ein ramponiertes Exemplar ließ mich auffordern es vollständig zu restaurieren, damit es sich wieder technisch, optisch und hygienisch in einem einwandfreien Gebrauchszustand befindet. Schließlich will ich es nicht nur betrachten. Ich will damit auch Telefonate führen.

Meine Begeisterung für dieses schwedische Telefon hatte ich bereits unter Ein Wählscheibentelefon an einer Fritzbox zum Ausdruck gebracht. Dort gibt es auch weitere Information zur Technikgeschichte dieses Apparates, der  in den USA mit einer anderen Nummernscheibe verkauft wurde.




Beim Stöbern in einem schwedischen Flohmarkt (loppis) meiner Heimatstadt fragte ich einen Mitarbeiter nach Wählscheibentelefonen. Gemeinsam gingen wir dann in das große Lager, in dem sich die alten Sachen stapelten, die noch nicht für den Verkauf vorgesehen waren. In einer Ecke entdeckte ich dann ein lachsfarbenes Dialog-Telefon, das ich für 30 Kronen (umgerechnet 3 Euro) mitnehmen durfte.

Ursprünglicher Zustand.

Nach der Restaurierung.

Rechte Seite nach der Restaurierung.

Der Apparat war in einem erbärmlichen Zustand. Die Kabeltüllen hatten sich verschoben, die Scheibe unterhalb der Wählscheibe hatte sich gelockert und die Wählscheibe verhakte sich manchmal Das Gehäuse war mit Dreck, Kratzern und Kratern durch herabgefallene heiße Zigarettenasche gekennzeichnet. Am Anschlusskabel haftete weiße Wandfarbe. Das Telefon könnte einiges aus seinem Leben erzählen, wenn es ein  Gedächtnis hätte.

Philosophie des Telefons Dialog: Das Dialog-Telefon ist sehr servicefreundlich aufgebaut. Der Grundgedanke war, dass der Servicetechniker vor Ort beim Kunden die Baugruppen ohne großen Aufwand austauschen kann. Als Werkzeug ist nur ein einziger Schraubendreher notwendig, um das Telefon in seine folgende Baugruppen zu zerlegen: Leiterplatte, Wecker, Nummernschalter, Hör- und Sprechkapsel, Spiralkabel zum Hörer und das Anschlusskabel.

Dahinter steckt eine geniale mechanische Konstruktion, die im krassen Gegensatz zu den heutigen Konstruktionen steht, welche sich durch Verklebungen, Vergießen und Schnappverbindungen nicht mehr demontieren lassen und damit nicht mehr zu reparieren sind.

Schraube unter der Griffmulde. Gehäuse bereits poliert. Bei der Montage der Gehäuseschale ist diese zuerst vorne an der Grundplatte einzuhaken und dann herunterzuklappen. Die Schraube kann dann angezogen werden, wenn gleichzeitig mit dem Zeigefinger direkt neben der Schraube das kleine Kunststoffteil nach vorne gedrückt wird. Die Schraube kann nicht herausfallen, da sie durch einen Drahtbügel gesichert ist.

Unter der Griffmulde befindet sich eine Schraube, die zu lösen ist, um die Gehäuseschale durch ein Aufklappen nach vorne zu entfernen. Zum Vorschein kommen drei Baugruppen die durch federnde Bleche und Laschen zusammenhalten.

Der Nummernschalter ist vorne in die Grundplatte eingehakt und zusätzlich oben noch an der Halterung Gabelumschalters gelagert, die auf der Leiterplatte angebracht ist. Dadurch wird die Leiterplatte nach oben gezogen. Der eingesteckte Nummernschalter verhindert vorne ein Herausrutschen der Leiterplatte und hinten steckt die Leiterplatte in zwei Laschen, die eine Bewegung nach oben und nach hinten verhindern. Der Wecker ist hinten in Gummi gelagert und mit zwei Haken in der Grundplatte befestigt. Der Wecker besitzt vorne einen mit Gummi ummantelten Nippel. Die dazu passende Aussparung befindet sich unterhalb des Gabelumschalters. Die Leiterplatte ist dann auf den Nippel zu schieben. Hört sich kompliziert an, ist aber ganz einfach, wenn man das geöffnete  Telefon in den Händen hält. Siehe dazu die nachfolgenden Bilder und ihre Kommentare.


Seitenansicht. Deckel entfernt.

Zwei Blechteile sind in der Grundplatte federnd in den Laschen eingehakt. Dadurch kann die Leiterplatte nicht mehr nach oben und nach hinten rutschen.

Nummernschalter entfernt. Oben befinden sich zwei Haken. Unten die Haken für die Grundplatte.


Oben ist der Nummernschalter in die Halterung des Gabelumschalters eingehakt und verspannt dadurch die Leiterplatte nach oben.

Der Nummernschalter befindet sich mit zwei Halteblechen auf der Grundplatte. Drückt man diese beiden Blechwinkel vorne zusammen, können sich aus den Laschen der Grundplatte gelöst und dann noch oben geklappt werden. Dann lässt sich die Leiterplatte mit dem Gabelumschalter lösen. Diese Baugruppe lässt sich durch Verschieben von der Grundplatte lösen. Dann ist der Weg frei den Wecker zu entfernen, der ebenfalls nur auf der Grundplatte und der Leiterplatte eingehakt ist.

Die Leiterplatte mit dem  Gabelumschalter (oben) und der Wecker (unten) sind nur auf die Grundplatte gesteckt. Durch die Halterung des Nummernschalters sind diese drei Baugruppen verspannt und sitzen fest. Eine geniale Konstruktion.


Bei der Montage zuerst den Wecker hinten in die zwei mit Gummi gelagerten Aussparungen stecken, dann die Leiterplatte in den mit Gummi gelagerten vorderen Nippel des Weckers einführen.

Reihenfolge Demontage: Vorne durch Verschieben und Drücken die beiden Haltebügel des Nummernschalters aus der Grundplatte bewegen, Nummernschalter nach oben klappen. Leiterplatte herausziehen, Wecker entfernen.

Reihenfolge Montage: Wecker hinten in die beiden Aussparungen der Grundplatte einhaken. Leiterplatte auf den in Gummi gelagerten Nippel des Weckers schieben. Nummernschalter oben am Gabelumschalter einhaken, nach unten kippen und seine beiden seine vorderen Haltebügel unten in die Grundplatte einhaken.
Kabelverbindungen: Alle Kabelverbindungen sind mit Kabelschuhen nach alter Väter Sitte verschraubt.

Linke Kontaktleiste: Von links nach rechts mit 1 bis 7 durchnummeriert.

Linke Kontaktleiste: Von links nach rechts mit 1 bis 7 durchnummeriert:

1: La Amtsleitung, gelb
2: Lb Amstleitung, schwarz

3: Zusatzanschluss für kaskadierten Anschluss, nicht notwendig, rot
4: Zusatzanschluss für kaskadierten Anschluss, nicht notwendig, weiß

5: Spiralkabel zur Sprechkapsel, rot
6: Spiralkabel zur Sprechkapsel und zur Hörkapsel, schwarz
7: Spiralkabel zur Hörkapsel, gelb

Anschluss des Spiralkabels an den Hörer: rot = Sprechkapsel, gelb = Hörkapsel, schwarz = gemeinsam für Hör- und Sprechkapsel, die beiden dünnen gelben Litzen gehen im Hörer zur  Hörkapsel.

Aushebeln der Konaktplatte und Halterung für das Kohlemikrofon.

Die Messingstifte der Sprechkapsel (Kohlegrießmikrofon) sind mit Schleifpapier zu reinigen. Sie drücken gegen die Kontaktfedern der Kontaktplatte. Durch die Feuchtigkeit der Atemluft entsteht hier Korrosion.

Das Spiralkabel kam über Nacht in ein Bad mit Gebissreiniger. Mehr dazu unter Reinigung von Kabeln .

Stecker zur Amtsleitungen. Die beiden linken Kontakte führen zur Amtsleitung La Lb. Die anderen Kontakte sind für eine Kaskodenschaltung und überflüssig.

Stecker zur Amtsleitung von innen: Gelb und schwarz entsprechen La und Lb. Rot und weiß werden nicht benötigt.

Die drei Anchlüsse des Nummernschalters: 13 = rot, gemeinsamer Anschluss für nsa und nsi, 12 = weiß, nsa, 13 = blau, nsi. Mehr unter Nummernschalter der Wählscheiben-Telefone prüfen und justieren .




Was zu beachten ist: Ein paar Kniffe sparen nicht nur viel Zeit. Sie vermeiden auch Beschädigungen.

1. Die Leiterplatte kann vorsichtig mit einem Pinsel abgestaubt werden. Dabei ist unbedingt zu beachten die dünnen Drähte am Übertrager nicht zu berühren, da sie dann abreißen. Ich spreche aus Erfahrung. Die Lötung gestaltet sich schwierig, ist aber machbar, da der Lack des Kuperlackdrahts lötbar ist.

Nach dem Entfernen des Nummernschalters. Rechts der NF-Übertrager mit seinen dünnen Anschlussdrähten, die beim Abpinseln des Staubs abreißen können.

2. Um die durchsichtige Wählscheibe zu entfernen, ist die zentrale Schraube zu entfernen. Falls ein Spezialwerkzeug fehlt, hilft folgende Vorgehensweise: Diese Schraube besitzt zwei Löcher, in die wir die Schäfte zweier 1,5 mm Spiralbohrer stecken und mit einer Flachzange zusammenhalten, um die Schraube wie gewohnt gegen den Uhrzeigersinn zu lösen. Vorher etwas Kriechöl einwirken lassen. Beim Verdrehen ist die Wählscheibe in der Mittelstellung durch Drücken nach unten festzuhalten. Empfehlenswert ist es ein Tuch unter die Nummernscheibe zu schieben, damit sie sich nicht zu sehr verbiegt. Keinesfalls darf sich die Wählscheibe an den Endanschlägen befinden, da sonst die Zahnräder des Nummernschalters beschädigt werden. Eine sehr genaue Erklärung ist unter Telefon Dialog – Schraube der Fingerlochscheibe polieren zu finden.

Entfernte Fingerscheibe und die darunterliegende Kunststoffscheibe, welche mit zwei Schrauben befestigt ist, welche sich lösen können und dann den Lauf beim Wählen behindern.


Das passiert, wenn man aus Neugierde die kleine Blechhaube entfernt. Finger weg davon!

Zwei 1,5 mm Spiralbohrer und eine  Flachzange ermöglichen das Lösen der Zentralbefestigung der Nummernscheibe. Siehe Text unter 2., um nicht den Nummernschalter zu zerstören.

3. Wie der Nummernschalter zu überprüfen und gegebenenfalls zu schmieren und zu reinigen ist, ist unter beschrieben.

Geöffneter Nummernschalter. Mehr unter Nummernschalter der Wählscheiben-Telefone prüfen und justieren  . Der Nummernschalter darf nur an bestimmten Stellen ganz wenig geschmiert werden, falls dies überhaupt notwendige ist. Meistens ist ein schmieren überflüssig und eher schädlich. Keinesfalls wahllos Rostlöser hinensprühen, weil dann der Fliekraftregler nicht mehr funktioniert und die Wählscheibe zu schnell abläuft. In diesem Fall ist mit Bremsenreiniger oder Waschbenzin (nichts anderes, alles andere zerstört die Kunststoffteile) mehrfach zu spülen. Sollte danach der Fliekraftregler rasseln, sind sein oberes und unters Lager mit ganz wenig Öl zu schmieren.

4. Die beiden Anschlussstifte der Sprechkapsel bestehen aus Messing und drücken gegen zwei Kontaktbleche. Damit Kontaktschwierigkeiten vermieden werden, sind die Messingstifte mit Schleifpapier zu reinigen.

5. Alle Kabelverbindungen sind vorsorglich an den Schraubverbindungen zu lösen und zu bewegen, um Kontakschwierigkeiten zu beseitigen.

6. Wie die Kunststoffteile wieder in ihrem usprünglichen Hochglanz erstrahlen, ist unter Zerkratzte Kunststoffteile wieder auf Hochglanz polieren beschrieben.

Auf Hochglanz polierte Gehäuseschale. Mehr zum Schleifen und Polieren unter Zerkratzte Kunststoffteile wieder auf Hochglanz polieren .

7. Bei mir sind mehrere Dialog-Telefone an  älteren Fritz!Boxen in Betrieb, die noch das Impulswahlverfahren verstehen. Die Nummernscheiben sind in Schweden mit einer anderen Ziffernreihenfolge versehen, die gegen den Uhrzeigersinn betrachtet die Reihenfolge 0123456789 besitzt. Dadurch ist Umrechnen der Telefonnummern erforderlich.

8. Um die Gabel von der  Gehäuseschale zu entfernen, ist eine Blechfeder, die als Keil dient, zu entfernen.

Das federnde Blech ist unten nach vorne aus dem Haken zu ziehen und dann nach oben zu drücken, um die Mechanik der Gabel und der Halteschraube zu entfernen, damit sich die Gehäuseschale unbehindert  polieren lässt.

9. Vorne befindet sich das Nummernschild, das innen mit einem federnden Draht befestigt ist.

Ein federnder Drahtstift drückt den Rahmen für das Nummernschild fest gegen das Gehäuse. Der Stift ist mit einer Zange seitlich zu verschieben.

10. Die beiden Glocken des Weckers sind oval. Dadurch kann durch Verdrehen der Glocken der Spalt für den Klöppel justiert werden, um die Lautstärke zu bestimmen, die ebenfalls durch einen Hebel auf der Gehäuseunterseite einstellbar ist.

Die beiden ovalen Messingglocken können durch Verdrehen den Spalt für den Klöppel bestimmen, wovon die Lautstärke abhängig ist. Den Spalt so eng wie möglich stellen, wenn der Hebel auf der Unterseite auf volle Klingellautstärke steht.

Wecker demontiert.

Hebel zum Einstellen der Lautstärke des Weckers. Der Hebel drückt die Spule und den Klöppel nach oben. Dadurch wird die Klingel leiser und brummt nur noch, weil der Klöppel nicht mehr gegen die Glocke schlagen kann.


Auf der Unterseite ist der Hebel zum Einstellen der Weckerlautstärke erreichbar.

11. Um das Spiralkabel vom Hörer abschrauben zu können, ist die Kontaktplatte für die Sprechkapsel mit einem Schraubendreher ohne Kraftaufwand herauszuhebeln. Dazu ist der Schraubendreher auf der dem Kabel gegenüberliegenden Seite ohne Gewalt anzusetzen.

12. Die Zugentlastung der Kabel erfolgt durch Haken, die in enstprechenden Bohrungen sitzen

Haken einer Zugentlastung. Ist der Knickschutz verrutscht, lässt er sich wieder nach vorne schieben.

Löcher zum Einhaken der Zugentlastungen.




Fotos: Die nachfolgende Fotostrecke ist ungeordnet und selbsterklärend.

Demontierter Hörer, Reihenfolge der Montage.

Wählscheibe verdreckt.

Wählscheibe geputzt und poliert.


Leiterplatte von unten.

Vogelperspektive

Wecker von unten

Links Hörkapsel, rechts Sprechkapsel. Unter der Lochblende eine dünne Folie als Schutzdes Kohlemikrofons vor Feuchtigkeit.

Rückseite, links Hörkapsel, rechts Sprechkapsel.

Prüfung des Nummernschalters mit dem Windowsprogramm Nummernschalterprüfer an der seriellen Schnittstelle. Mehr unter Nummernschalter der Wählscheiben-Telefone prüfen und justieren . In den meisten Fällen ist eine Überprüfung überflüssig, wenn sich das Telefon nicht verwählt.