TAT-1 – Das erste Transatlantik-Telefonkabel – Ein Meilenstein der Technikgeschichte

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5.12.2022

Das Seekabel TAT-1 ermöglichte seit dem September 1956 zum ersten Mal Telefonverbindungen zwischen Nordamerika und Europa über eine Kabelverbindung. TAT-1 stellt ein Meilenstein der Geschichte der Nachrichtentechnik dar. 1866 wurde bereits das erste funktionstüchtige Telegrafiekabel über den Atlantik verlegt. Es konnte allerdings nur sehr langsame Morsezeichen übertragen. Es dauerte fast weitere 100 Jahre, bis man technisch in der Lage war Sprachübertragungen per Kabel über den Atlantik zu verschicken.

Für TAT-1 kam ein Koaxialkabel zum Einsatz. Erst 1988 wurde das erste Glasfaserkabel über den Atlantik verlegt. Die hohen Datenübertragungsraten der Glasfaserkabel ermöglichten das Internet, wie wir es in seiner heutigen Leistungsfähigkeit erleben. Das heutige Internet hat eine lange Vorgeschichte, die über 100 Jahre zurückliegt und mit dem Verlegen von Telegrafiekabeln begann.

Mögliche Routen eines Transatlantikkabels aus The Bell Sytstem technical journal (1922). Gewählt wurde für TAT-1 annähernd die  Route 2 mit 1950 nautischen Meilen ( Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_Bell_System_technical_journal_(1922)_(14753547484).jpg ).

Ab 1927 gab es nur wenige Telefonverbindungen mittels Funk zwischen Nordamerika und Europa ( https://www.loc.gov/static/programs/national-recording-preservation-board/documents/FirstTransatlanticTelephoneCall.pdf ). Verwendet wurden dazu Frequenzen um die 50 oder 60 kHz. Es existierten nur wenige  Sprachkanäle. Ab 1928 fanden transatlantische Telefonate auch über die Kurzwelle statt. Allerdings waren die Übertragungsbedingungen nicht stabil und es standen auch auf der Kurzwelle zu wenige Sprachkanäle zur Verfügung. Telefonate über den Atlantik waren extrem teuer.


 „THE VOICE BENEACE THE SEA“: Film über die Verlegung und Entwicklung des TAT-1-Kabels.

Um ein Transatlantikkabel für Telefongespräche verwirklichen zu können, mussten einige technische Herausforderungen bewältig werden. Damit das Projekt auch wirtschaftlich ist, musste die Kabelverbindung möglichst viele Telefonate gleichzeitig übertragen können.

Aufbau des TAT-1-Koaxialkabels mit seinen verschiedenen Schichten (Bildquelle: Von Geni – Photo by user:geni, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=53551200 ).

Zum Einsatz für TAT-1 kamen zwei Koaxialkabel, jeweils eines für den Hin- und den Rückweg. Um ein Koaxialkabel dieser Länge  realisieren zu können, war ein hochwertiges Isolationsmaterial mit geringen Verlusten notwendig, das selbst bei niedrigen Temperaturen nicht spröde wird. Die notwendigen Anforderungen wurden erst mit Polyethylen erfüllt, das erst ab 1939 großtechnisch erzeugt werden konnte. Ohne die Erfindung des Polyethylen wäre das Projekt zum Scheitern verurteilt gewesen.

Für die notwendige Zugfestigkeit hatte das Koaxialkabel des TAT-1 eine Ummantelung aus Stahlseilen. Später kamen die Kabelhersteller auf die Idee in die Seele des Koaxialkabels mittig ein zugfestes Stahlseil einzubauen, das mit einem Kupferrohr ummantelt war. Dadurch war die Materialeinsparung erheblich, was die Kosten für die Verlegung und Herstellung senkte.

Mehr über die Herstellung des TAT-1-Koaxialkabels auf https://atlantic-cable.com/Cables/1956TAT-1/manufacture.htm.


Film über die Verlegung des zweiten Transatlantikkabels TAT-2 aus dem Jahr 1959.


AT&T Archives: Submarine Cable Systems Development

Das Koaxialkabel von TAT-1 mit seiner Länge von 1950 nautischen Meilen zwischen Neufundland und Schottland hatte eine Dämpfung von 2100 dB bei einer Frequenz von 144 kHz. Übertragen wurde der Frequenzbereich zwischen 20 kHz bis 164 kHz, um die anfänglichen 36 Telefonkanäle mit einer Bandbreite von je 4 kHz unterzubringen. Verwendet wurde ein Trägerfrequenzverfahren mit der Unterdrückung eines Seitenbandes. Funkamateuren ist dies als SSB wohl bekannt. Ob die Träger unterdrückt wurden oder nicht, ist mir nicht bekannt.

Bei einer Dämpfung von 2100 dB müsste man eine extrem hohe Leistung in das Kabel einspeisen, damit am anderen Ende der Leitung noch ein brauchbares Signal zu empfangen ist. Die eingespeiste Leistung wäre so hoch, dass die Kabelisolation wahrscheinlich schmelzen würde und wegen der hohen Spannung die Isolation versagen würde. Man müsste deshalb den Durchmesser des Koaxialkabels wesentlich vergrößern, was zu einer Kostenexplosion führen würde. Wirtschaftlich wäre diese Lösung nicht. Technisch lässt sie sich auch nicht umsetzen, da noch weitere Probleme auftreten können.

Eine Kabeldämpfung von 2100 dB macht es deshalb sinnvoll in bestimmten Abständen Zwischenverstärker (Repeater) einzusetzen. Zwischen Neufundland und Schottland kamen je Signalrichtung 51 Repeater zum Einsatz, die in einem Abstand von 37,5 nautischen Meilen untergebracht waren.  Die Kabeldämpfung zwischen den Repeatern lag demnach bei etwa 40 dB. Die Repeater mussten deshalb das Signal wieder um 40 dB anheben. Hätte man nicht die Abstände vergrößern können und dafür die Verstärkung anheben?  Dann hätte man weitere Verstärkerstufen je Repeater benötigt, der dann größer geworden wäre, was das Verlegen erschwert hätte. Zudem steigt die Dämpfung nicht nur mit der Länge. Sie steigt auch mit der übertragenen Frequenz. Je länger das Kabel zwischen den Repeatern, desto schwieriger wird die Korrektur des Frequenz- und Phasengangs. Man möchte den Abstand zwischen den Repeatern möglichst gering halten. Doch dafür gibt es technische Grenzen, die weiter unten im Text erklärt sind. Man bedenke noch, dass die Repeater an ihren Eingängen einen bestimmten Mindestpegel benötigen, da andernfalls der Signal-Rauschabstand zu schlecht wird, wodurch die Sprachübertragung leidet.

Da die Kabeldämpfung mit der Frequenz zunimmt, erklärt dies auch die begrenzte übertragbare Bandbreite und damit einhergehend die maximale Anzahl der Sprachkanäle. Möchte man eine höhere Bandbreite übertragen, benötigt man für den Breitbandverstärker im Repeater mehr Röhrenstufen bei gleicher Verstärkung.

Obige Audio-Datei: So oder so ähnlich hörten sich die Störgeräusche auf einem Transatlantikkabel mit analogen Repeatern an. Neben dem Rauschen war auch noch das Übersprechen in die Nachbarkanäle zu hören. Der Klang erinnert an die Kurzwelle (Soundquelle: https://youtu.be/eiQ2MwMdYPk  – What Did the Old Telephone Network Sound Like? Overview of the Recordings von Evan Doorbell).

Wie bereits beschrieben, nimmt die Kabeldämpfung mit der Frequenz zu. Würde man mehr Repeater einsetzen, müssten sie das Signal weniger anheben und sie könnten deshalb breitbandiger ausgelegt werden, um mehr Sprachkanäle übertragen zu können. Allerdings ist die maximale Anzahl der Repeater wegen ihrer Spannungsversorgung begrenzt. Die Repeater werden in Serie mit Spannung versorgt wozu um die 5000 Volt notwendig sind. Je höher die Anzahl der Repeater, desto mehr  Spannung wird benötigt, die auch die passiven Bauteile des Repeaters zur Sicherheit aushalten müssen. Je höher die Spannungsfestigkeit der Bauteile, desto größer und teurer werden sie. Irgendwo liegt dann eine technische Grenze bei noch vertretbaren Kosten. Leider lassen sich die Repeater bei diesen Kabellängen nicht parallel mit der Betriebsspannung versorgen. Der Spannungsabfall im Kabel wäre zu hoch. Der ersten Repeater würden eine viel zu hohe Spannung erhalten und die letzten eine viel zu geringe.

Die Repeater liegen auf dem Ozeanboden und können bei einem Ausfall  nur unter großem Aufwand repariert werden. Sie müssen also über mindestens 20 Jahre absolut zuverlässig funktionieren. Zwanzig Jahre war die geplante Lebensdauer des Kabels. Langzeiterfahrungen hatte man mit Transistoren noch nicht. Der erste Transistor wurde erst 1947 in einem Laborexperiment gebaut. Deshalb kamen als Verstärkerelement nur Elektronenröhren in Frage. Diese haben üblicherweise nur eine Lebensdauer von etwa 10.000 Stunden. Deshalb musste eine extrem zuverlässige Elektronenröhre entwickelt werden. Die Entwicklung begann schon Ende der 1930er Jahre.

Die Repeater wurden mit je drei Elektronenröhren des Typs 175HQ bestückt.  Es  handelt sich dabei um eine Pentode. Sie war damals wahrscheinlich die teuerste Elektronenröhre der Welt. Sie wurde unter Reinstraumbedingungen hergestellt. Die Temperatur der Kathode war so niedrig wie möglich. Die Anoden- und Gitterspannungen war ebenfalls sehr niedrig, um eine möglichst lange Lebensdauer zu erhalten. Außerdem wurden die Gitterabstände möglichst groß gewählt, was eine geringe Steilheit zur Folge hat. Entsprechend gering war die Verstärkung einer Röhre. Jede Röhre wurde vor ihrem Einsatz 5000 Stunden lang getestet, wobei nur jede siebte Röhre den Test bestand, um im Repeater verbaut werden zu können. Stecksockel gab es für die Röhren natürlich nicht, da ein Austausch nicht vorgesehen war. Die Röhren wurden eingelötet.

Insgesamt kamen 306 Röhren (51 x 2 x 3) des Typs 175HQ  zwischen Schottland und Neufundland zum Einsatz. Sie hielten ohne Ausfall mindestens 22 Jahre  durch. Das sind insgesamt 6732 Jahre Betriebsdauer ohne Ausfall.

Mehr zur 175HQ:
–  http://lampes-et-tubes.info/sp/sp056.php?l=e (Bilder)
–  https://www.radiomuseum.org/tubes/tube_175hq.html (Geschichte, Hintergründe)

Mehr zum TAT-1-Kabel mit Abbildungen der Repeater:
https://atlantic-cable.com/Cables/1956TAT-1/

TAT-1 wurde 1978 abgeschaltet, weil der Betrieb des Kabels nicht mehr wirtschaftlich war. Während seiner Betriebszeit wurde die maximale Bandbreite eines Fernsprechkanals von 4 kHz auf 3 kHz herabgesetzt, wodurch die Fernsprechkanäle von 36 auf 48 erhöht werden konnten. Ab 1960 wurde „Time-assignment speech interpolation – Zeitzugeordnete Sprachinterpolation“ (TASI) eingesetzt. Dieses Verfahren nutzt die Sprechpausen für weitere Kanäle. Dadurch konnten 72 Kanäle übertragen werden.

Übrigens wurde im Winter 1982 versucht TAT-1 nach einer mehrjährigen Pause wieder in Betrieb zu setzen. Nach zwei enttäuschenden Wochen wurde das Vorhaben wieder aufgegeben.

Bevor TAT-1 in Angriff genommen wurde, sammelte man Erfahrungen mit einem Fernmeldekabel, das zwischen Florida und Kuba 1950 verlegt wurde ( https://atlantic-cable.com/Cables/1950KeyWest-Havana/index.htm ). In den Repeatern kam zum ersten Mal die 175HQ zum Einsatz.


Film über die Verlegung eines Telefonkabels zwischen Florida und Kuba aus dem Jahr 1950.


Film über die Telefonkabelverlegung durch den Pazifik von den USA nach Japan über Hawai.

TAT-5 war das erste Transatlantikkabel das mit Transistoren bestückt war. TAT-5 wurde 1970 verlegt und verwendete Germaniumtransistoren. 1974 kamen erstmals Siliziumtransistoren zum Einsatz mit dem Kabelprojekt CANTAT-2 zwischen Kanada und England.  1988 kam mit TAT-8 das erste transatlantische Glasfaserkabel zum Einsatz. Die Verstärkung erfolgte elektrisch.  Die Lichtwellen wurden mit einer Photodiode empfangen und nach einer elektrischen Verstärkung mit einem Laser wieder ausgestrahlt.

TAT 12/13 war das erste Transatlantikkabel mit optischen Verstärkern. TAT 12/13 wurde 1996 mit 2 x 5 Gbit/s in Betrieb gesetzt und 2008 für den normalen kommerziellen Dienst außer Betrieb gesetzt.

Mehr dazu über die Geschichte der Transatlantikkabel in dem sehr lesenswerten Artikel unter https://www.ewh.ieee.org/reg/7/canrev/cr52/CR52_TAT.pdf.

Siehe auch: https://atlantic-cable.com/ (umfassende Informationen über die Geschichte der Transatlantikkabel) und https://de.wikipedia.org/wiki/Transatlantisches_Telefonkabel