Altes Wählscheiben-Telefon W49 an der Fritz!Box 7360

Dankeswerterweise erhielt ich von einem pensionierten Fernmeldetechniker der alten Schule ein altes W49-Wählscheibentelefon aus den 1950er- oder 1960er-Jahren in einem sehr gut erhaltenen Zustand. Es ist bei mir an einer Fritz!Box 7360 angeschlossen und funktioniert tadellos. Es klingelt etwas leiser im Vergleich zum Betrieb an einer echten Amtsleitung. Die Impulswahl mit der Wählscheibe funktioniert ohne Umbauten wie in alten Zeiten.

Über das Telefon W49: Der Tisch-/Wandwählfernsprecher W49, Bezeichnung „Ti-Wa W49“, ist ein analoger Fernsprecher, der ab 1949 von der Hanseatischen Apparatebau-Gesellschaft Neufeldt & Kuhnke (Hagenuk) in Kiel für die Deutsche Post in den westlichen Besatzungszonen und ab 1950 für die Deutsche Bundespost entwickelt und gefertigt wurde.


W49 in schwarz und als Tischtelefon montiert. Diese Ausführung besitzt vorne eine Erdtaste für den Betrieb an Nebenstellenanlagen. Das Telefon war also in einer Firma oder Behörde mit mehreren Telefonen und einer eigenen Vermittlungsstelle im Einsatz. Das Gehäuse hat leider noch keinen Tragegriff. Für eine Ortsveränderung des Telefons sind beide Hände notwendig. Etwas mehr als 2 kg bringt der W49 auf die Waage. Modernere Wählscheiben-Telefone sind leichter und besitzen eine Mulde hinter der versenkten Gabel.


Die Mechanik hinter der Wählscheibe. Die Funktionsweise ist in Wikipedia unter Nummernschalter erklärt.
Gebaut wurde der W49 ausschließlich von Hagenuk. 1967 wurde der W49 vom dem neu entwickelten Fernsprechwandapparat „FeWAp 61“ abgelöst. Wie alle Fernsprecher dieser Zeit arbeitet der W49 mit dem Impulswahlverfahren für die automatische Telefonvermittlung und wurde ausschließlich von Hagenuk hergestellt.
Das Besondere an dem W49 ist, dass es sowohl als Tischapparat wie auch als Wandapparat genutzt werden kann. Für den Umbau von Tisch- zum Wandapparat werden die Gabel und das Nummerschaltergehäuse um 180° umgesetzt. Als Wandapparat wird der W49 mit seiner stabilen Metall-Grundplatte in einem speziellen Halter an der Wand befestigt. Wenn der W49 als Tischgerät zusammengeschraubt ist, unterscheidet er sich auf den ersten Blick kaum vom W48. (Textquelle: Wikipedia W49).
Kontrolle der Mechanik und Reinigung der Kontakte: Mein Exemplar des W49 stand 20 Jahre gut verpackt auf einem zugigen Dachboden. Vor der Inbetriebnahme reinigte ich die Wählscheibenmechanik vorsorglich mit etwas ölfreiem Elektronikreinigungsspray. Laut den im Internet auffindbaren Wartungsanleitungen dürfen nur verschlissene Mechaniken der Wählscheiben mit winzigen Mengen Öl an gezielten Stellen wieder gangbar gemacht werden. Intakte Wählscheiben benötigen keine Schmierung. Nach den Angaben des Vorbesitzers scheint die Wählscheibenmechanik fabrikneu zu sein. Sie arbeitet jedenfalls spielfrei. Die übrigen Kontakte erhielten ganz wenig Tunerreinigungsspray, das für die Kontaktreinigung von TV-Tunern konzipiert wurde. Da ich keine Erfahrung mit alten Telefonen habe, bin ich einen vorsichtigen Weg beim Reinigen eingeschlagen.
Das Prellen von verschmutzten Kontakten kann dazu führen, dass sich die Fritz!Box beim Zählen der Impulse verzählt. Insbesondere können verschmutzte Kontakte am Gabelschalter prellen, was die Fritz!Box als zusätzliche Wählimpulse interpretiert. Die Folge ist ein falsches Verbinden. Die Kontakte des Gabelumschalters lassen sich mit einem Streifen Papier, den man durchzieht und mit etwas Kontaktreinigungsspray reinigen. Dabei ist darauf zu achten die Kontaktfedern nicht zu verbiegen.
Die Klemmschrauben für die Kabelschuhe sollte man vorsichtig nachziehen. Bei meinem Exemplar waren einige Schrauben locker. Vorsicht ist auch bei den Kabeln geboten, die altersbedingt brechen könnten, was aber bei mir nicht der Fall war. Ansonsten sollen die nahezu unverwüstlichen Bauteile auch nach Jahrzehnten kaum Probleme bereiten.
Als ich das Telefon das erste Mal anschloss, war es tot. Der Fehler lag am Stecker für die Wanddose, für den ich einen alten schwedischen Splitter nahm und das Filter darin entfernte. Beim Umbau hatte ich eine Verdrahtung vergessen.

Aufarbeiten des Gehäuses aus Bakelit: Das Gehäuse aus Bakelit war noch in sehr gutem Zustand. Die Reinigung erfolgte mit etwas Glasreiniger. Hartnäckigen Schmutz lässt sich mit etwas Autolackreiniger oder Chromglanz und einem alten Socken gut entfernen. Die Behandlung verleiht der Bakelitoberfläche einen schönen Glanz, da feine Kratzer herauspoliert werden können. Sollte die Oberfläche durch starke Sonneneinstrahlung auch in den tiefen Schichten stumpf geworden sein, ist sie beschädigt und ein Polieren hilft leider auch nicht zu neuem Glanz. Manche raten in diesem Fall zu einer Schellack-Politur, weil sich Schellack wieder mit Alkohol entfernen lässt, falls die Restaurierung missraten sein sollte. Gebrauchsspuren gehören zu einem alten Telefon, denn es war nie als Anschauungsobjekt gedacht.

Der W49 war oft in Werkstätten und in rauer Umgebung im Einsatz. Durch Herunterfallen sind viele Bakelit-Gehäuse zerbrochen. Bakelit lässt sich gut mit Zweikompenentenkleber auf Epoxidbasis kleben. Bei sauberer Arbeit und anschließendem Polieren fallen die Risse an den Klebestellen kaum auf. Bei hoffnungslosen Fällen mit fehlenden Bruchstücken hilft der Reihe nach Kleben, Spachteln, Schleifen, Grundieren, Schleifen, Lackieren, Feinschliff, Lackieren und Polieren. Sicherlich gibt es dazu genügend Anleitungen und Diskussionsbeiträge im Web.


Innenansicht des W49. Beim Zusammenbau ist das Kabel zur Wählscheibe so zu verlegen, dass es die Gabelkontakte nicht behindert. Hochauflösendes Foto per Mausklick auf das Bild.

Anschluss des Telefonkabels an die Fritz!Box 7360: Die Fritzbox besitzt eine mit „FON 1“ bezeichnete RJ-11-Buchse auf der Rückseite. Nur die beiden mittleren der 4 Kontakte sind für den Anschluss des Telefons belegt. Diese beiden Anschlüsse lauten La und Lb oder bei dem W49 a und b. Bei anderen Fritz!Boxen wird es meistens so ähnlich sein. Die Polung der beiden Anschlüsse spielt keine Rolle. Sie können also vertauscht werden.


Gebraucht gekaufte Fritz!Box 7360


Rückseite der Fritz!Box 7360. Die zweiadrige Telefonleitung ist über einen vierpoligen RJ-11 Stecker mit den beiden mittleren Kontakten der Buchse „FON1“ (2. von links) der Fritz!Box zu verbinden. Nur die beiden mittleren Kontakte sind belegt. Die Polung der zwei Adern ist egal. Bei anderen Fritz!Boxen gilt das gleiche Prinzip.

Öffnen des Gehäuses und Anschluss des Telefonkabels an das Telefon W49: Die beiden hinteren Schrauben und die vordere Schraube lösen. Darauf achten, dass das Bakelit nicht mit der Schraubendreherklinge Kratzer bekommt. Die Schrauben sind gegen Herausfallen gesichert und lassen sich nicht ganz herausdrehen. Das Bakelitgehäuse vorsichtig von der schweren Bodenplatte lösen. Dabei darauf achten, dass das relativ kurze Kabel zur Wählscheibe nicht abreißt. Beim Zusammenbau ist das Kabel zum Nummernschalter so zu verlegen, dass es nicht den Gabelumschalter behindern kann.


Anschlussplatte auf der Rückseite des W49. Obere Reihe von links nach rechts zählend sind die vier Adern der Wählscheibe mit der Farbreihenfolge gelb – grün – braun – weiß anzuschließen. Bei meinem Exemplar war die Wählscheibe nicht angeschlossen. Das Telefonkabel kommt von links zählend an den ersten und dritten Kontakt.


Vergrößerte Darstellung der Anschlussplatte. Im Vordergrund die Telefonleitung, welche mit zwei roten Kabelschuhen befestigt ist. Die Zugentlastung ist in den Bildern noch nicht zufriedenstellend gelöst. Siehe dazu den entsprechenden Abschnitt.

Hinten kommt eine Anschlussplatte zum Vorschein. Das Telefonkabel kommt wie im obigen Bild zu sehen von links zählend an den ersten und dritten Kontakt. Als Telefonkabel habe ich 2-adriges Lautsprecherkabel genommen, weil es vorrätig war und ausreichend mechanisch stabil ist. Ein schwarzes Kabel wäre passender zum Telefon gewesen.

Als Kabelschuhe für das Telefonkabel nahm ich solche, die bei einer Kabelzange in einem Set dabei waren. Die Kabelschuhe habe ich mit einem Schraubstock verpresst. Ein Löten war also nicht erforderlich. Wer keine Kabelschuhe hat, kann an die Litzen des Telefonkabels dickere massive Drähte anlöten und diese mit den Schraubklemmen verbinden. Verlötete Litzen würde ich nicht festklemmen, da sie sich mit der Zeit lösen.

An das Telefon lässt sich durch zwei weitere Adern noch ein zusätzlicher Wecker anschließen und die Erdtaste verbinden. Dies beiden Anschlüsse benötigen wir aber nicht. Für einen zusätzlichen elektromechanischen Wecker könnte die Fritz!Box auch nicht genügend Strom liefern.

In der „Bucht“ habe ich vorkonfektionierte Anschlusskabel für den W49 und W48 entdeckt, die für den deutschen Markt mit einem TAE-F-Stecker versehen sind. Nach der Norm entsprechen die weiße und die braune Ader den beiden Adern für La und Lb der Amtsleitung. Die anderen Anschlüsse des Kabels werden nicht benötigt. Diese Kabel sind bereits mit Kabelschuhen und einer passenden Zugentlastung ausgerüstet. Da ich aber in Schweden wohne, muss ich mir andere Lösungen einfallen lassen.

Zugentlastung: Wichtig ist die Zugentlastung. Im ersten Versuch versuchte ich das Kabel unter einen der beiden Gummiklötze zu klemmen. Leider ließ sich danach das Gehäuse nicht mehr verschrauben. Ich entfernte die beiden Gummiklötze und nutzte die Blechlasche zwischen diesen beiden, um das Telefonkabel einige Male um diese Blechlasche zu wickeln. Ein Knoten wäre auch denkbar. Eine irreversible Veränderung am Gerät ist also nicht notwendig, wodurch der Originalzustand erhalten bleibt.

Die Gummiklötze sind gut aufzubewahren. Sie verschließen das Gehäuse für eine Wandmontage, bei der das Telefonkabel durch das Bodenblech zu legen ist. Eine Wandmontage sparte Platz und ermöglichte das Telefonieren nur in einer stehenden und damit unbequemen Körperhaltung. Damals war Telefonieren teuer und man hatte sich kurz zu fassen. Kaum jemand lümmelte sich auf dem Sofa um stundenlang zu plaudern.

Testanruf: Wenn das Telefon beim Sip-Provider Sipgate angeschlossen ist, lässt es sich mit der Testnummer 10000, die eine Testansage liefert, ausprobieren. Bei Personal-Voip erfolgt der Echo-Test mit der Nummer 600, bei Ekiga mit der Nummer 500.

Anschluss von zwei Wählscheibentelefonen im Parallelbetrieb: Bei dieser Konfiguration ist meine Fritz!Box beim Klingeln überfordert. Beide Telefone klingen zwar, jedoch nur sehr kurz mit langen Abständen, was unnatürlich klingt. Leider lässt sich nach dieser Erfahrung an der Fritz!Box nur ein Wählscheibentelefon sinnvoll betreiben.


Das W49 ist für den Einsatz bereit und hat seinen vorläufigen Ehrenplatz neben dem Sofa gefunden. Bleistift und Notizblock sollten wie damals üblich neben dem Telefon in Griffweite liegen. In der Praxis werde ich mich hauptsächlich an dem Klingelton erfreuen und bei einem Anruf zu einem DECT-Telefon mit einer Freisprecheinrichtung greifen.