4. Teil über die Restaurierung des Röhrenradios Luxor Sopran 797W
Nachdem das Schleifen das Radiogehäuse weitgehend vom alten Lack und den Kratzern befreite, kommt nun die Schellackpolitur als nächster Arbeitsschritt an die Reihe. Meine ersten Erfahrungen mit dieser Methode möchte ich nun taufrisch mitteilen. Es ist leichter als man denkt. Man verkleckert und vertropft nichts, da kein Pinsel zum Einsatz kommt.
Folgende Links empfehle ich zur Information:
– Anleitungsvideos über die Schellackpolitur eines professionellen Restaurators
– Alte Radiogehäuse aus Holz mit Schellack lackieren und polieren (ebenfalls von einem Profi)
Die Links stellen zwei etwas unterschiedliche Vorgehensweisen dar. Jeder muss das selbst ausprobieren. Ich habe nur mit dem Ballen gearbeitet und auf eine Hartölgrundierung verzichtet, da mein Schellack schon recht dunkel war. Leider war ich mit dem Porenfüllen zu sparsam. Ich habe dann einige Schichten mit Alkohol abgewischt und mehr Porenfüller aufgetragen. Alles kein Problem bei Schellack. Es kostet eben mehr Zeit, wenn man es – wie ich – noch nicht so richtig kann.
Vorab sei gesagt, dass ich kein Profi bin. Ich kann aber mit frischen Eindrücken über entscheidende Dinge berrichten, die ein Profi unterschlägt, weil er sie als völlig selbstverständlich annimmt.
So habe ich das Schrottradio erhalten.
So sieht das Radiogehäuse nach meinem ersten Gehversuchen mit der Schellackpolitur aus. Beim genauem Hinschauen nicht ganz perfekt. Aber das Ergebnis ist viel besser als erwartet. Ich habe mir das alles viel schwieriger vorgestellt. Die Flecken auf der Front werden später durch das Skalenglas und andere Frontelemente verdeckt sein. Es lohnt sich alle paar Tage mal wieder ein Schicht Schellack mit dem Ballen aufzutragen und dann mit mit etwas Paraffinöl nachpolieren.
Warum Schellack? Macht man Verarbeitungsfehler, kann Schellack mit Alkohol einfach wieder runtergewischt werden. Außerdem benötigt man keine Spritzpistole und den entsprechenden Raum mit staubfreier Luft und guter Belüftung für das Spritzlackieren. Anfänger werden vielleicht nicht auf Anhieb den Superhochglanz von Schellack hinbekommen, aber auf jeden Fall ein schönes, glänzendes Ergebnis, das sich sehen lassen kann. Anfänger brauchen natürlich auch mehr Zeit. Die Lernkurve steigt mit der Erfahrung und man trägt so lange die Politur auf, bis man mit dem Ergebnis zufrieden ist. Von seidenmatt bis hochglänzend ist alles möglich. Auf jeden Fall ist der Auftrag gleichmäßig ohne "Rotznasen" wie beim Streichen. Lange Warten auf das Durchtrocknen muss man auch nicht. Nach 10 Minuten kann man meistens schon die nächste Schicht Schellack mit dem Ballen auftragen.
Radiogehäuse aus Holz wurden von Einzelfällen abgesehen nach dem 2. Weltkrieg auf jeden Fall nicht mehr mit Schellack lackiert. Mit diversen Kunstharzlacken war das industrielle Spritzlackieren in großen Stückzahlen wesentlich kostengünstiger.
Schellack ist empfindlich gegen Alkohol. Es darf deshalb nicht mit Glasreiniger oder Spiritus gereinigt werden. Normale Möbelpolitur kommt auch nicht in Frage. Sollten Kratzer auf Schellack entstehen, können diese aber wieder mit dem Ballen wieder wegpoliert werden.
Materialien: Leider war es mir unmöglich in vertretbarer Zeit die empfohlenen Materialien zu besorgen. Nach ausführlicher Recherche im Internet bin ich das Risiko eingegangen in meiner Not folgende Produkte einzusetzen:
Als Schellack kaufte ich 250 ml eine alkoholische Lösung, die etwa zu 20% aus Schellack besteht. Diese wird in Schweden hauptsächlich für das Überpinseln von Astlöchern verwendet, damit die Astlöcher nach dem nächsten Farbanstrich nicht durchschimmern. Die 250 ml reichen sicherlich für 3 bis 4 Radiogehäuse.
Als Alkohol griff ich zum schwedischen Brennspiritus (rödsprit), der zu 95% aus Äthanol besteht. Der Rest besteht aus Wasser und Vergällungsmitteln. Wegen der hohen schwedischen Alkoholsteuer ist reiner Alkohol viel zu teuer. Alternativ geht auch Iso-Propylalkohol, das ich aber nicht auf die Schnelle bekommen konnte. Für ein Radiogehäuse sollte man einen halben Liter vorrätig haben. Auf Brennspiritus (gleich welcher Nationalität) sollte man wenn möglich verzichten. Es stinkt abscheulich und der Wassergehalt ist zu hoch. Iso-Propylalkohol verwenden viele Profis und Druckereien müssten günstige Bezugsquellen kennen.
Als Polieröl geht nach meinen Recherchen Paraffinöl oder sogar Testbenzin. Reines Paraffinöl gab es im Malergeschäft nur in Gebinden zu mindestens einem Liter. Dabei braucht man nur ganz wenig – vielleicht 20 ml – für ein Radiogehäuse. Also nahm ich Grillanzünderflüssigkeit, das hier laut Aufdruck aus Paraffin besteht. Leider riecht es etwas unangenehm. Lampenöl aus Paraffin ohne Zusätze wäre besser geeignet. Wichtig ist, dass das Öl nicht vom Spiritus aufgelöst werden kann, was bei Testbenzin und Paraffin zutrifft. Mit dem Grillanzünder ging das Polieren jedenfalls sehr gut.
Die eingesetzten Mittel, welche im Text beschrieben sind.
Als Porenfüller bekam ich kein Bimssteinpulver. Aber es gab fein gemahlene Kreide. Eine Arbeitsprobe lieferte ein gutes Ergebnis. Also verwendete ich die fein gemahlene Kreide, die besser ist als überhaupt kein Porenfüller. Wiener Kalk soll auch als Porenfüller funktionieren.
Den Ballen habe ich aus alten Wollsocken und aus dem Stoff eines alten, weißen Baumwollunterhemds hergestellt. Pro Ballen reicht ein halber Wollsocken aus Schaffswolle. Man sollte gleich zwei Ballen anfertigen, um einen mit und ohne Porenfüller zu besitzen. Baumwolle schleift sich allerdings schnell durch beim Porenfüllen. Weiß sollte der Stoff sein, damit man an der braunen Farbe sieht, wieviel Schellack der Ballen noch abgibt.
Handschuhe sind unbedingt wichtig. damit man sich nicht die Finger mit Schellack "versaut". Bewährt haben sich beim mir gummierte Arbeitshandschuhe. Sie halten praktisch ewig und lassen sich leicht an- uns ausziehen. Mit dünnen Latexhandschuhen war ich nicht so glücklich. Außerdem sollte man den Tisch mit einer Plastiktüte schützen, wenn man den Ballen mit Schellack vorbereitet.
Mir wäre es viel lieber gewesen, empfohlene Produkte zu verwenden, mit denen es vielleicht besser gegangen wäre und mit denen man auch keine Risiken eingeht. Vor allen Dingen weiß ich nicht, welche Langzeitwirkungen nach 10 oder 20 Jahren die Zusatzstoffe insbesondere im Spiritus anrichten können. Nach schwedischen Quellen soll der schwedische Brennspiritus (rödsprit) geeignet sein. Bei einem kleinen Radio, welches man selbst besitzt, ist das kein Problem. Der alte Schellack wird, wenn er schadhaft geworden sein solte, mit viel Alkohol heruntergewaschen und es kommt eine neue Politur darauf. Bei einem Restaurator, der im Auftrag für gutes Geld sündhaft teure antike Möbel restauriert, ist das natürlich ein ganz anderer Fall. Er darf natürlich kein Risiko eingehen.
Die Oberfläche des Holzes: Je glatter sie ist, desto einfacher geht die Schellackbeschichtung. Den Lack habe ich mit 150er bis 250er Schleifpapier entfernt. Dann mit 600er Papier geschliffen. Schließlich kam 1200er Papier zu Anwendung, bis die Oberfläche sich richtig schön glatt anfühlte. Das hat sich gelohnt.
An den Rändern wurde leider das Furnier etwas durchgeschliffen, denn die Kratzer waren doch recht tief. Die durchgeschliffenen Stellen habe ich dann, damit sie nicht so auffallen, mit einer Lösung aus Instant-Kaffeepulver und Sojasauce bestrichen. Es geht auch ohne Sojasauce nur mit Wasser. Zum Aufstreichen nach ich Wattestäbchen. Wenn es ganz kleine Stellen sind, dann wird ein Wattestäbchen schräg abgeschnitten und man hat eine Art Federkiel. Mit der Lupe arbeiten. Dann trocknen lassen und mit feinen Schleifpapier etwas polieren. Gegebenfalls den Vorgang wiederholen. Schäden am Furnier können auch vor dem Polieren noch mit Bleistiften kaschiert werden.
Das schreibt ein Leser: "Tiefe Beschädigungen des Furniers oder Durchschliffe lassen sich auch mit den Schülerfarbkasten-Farben retuschieren. Ich meine die Farben in Form von runden wasserlöslichen Farbtabletten. Nach der Porenfüllung schmilzt man mit dem Lötkolben Blätterschellack ins Loch und überschleift das bis das Loch gefüllt und eben mit der Umgebung ist. Bei dunklen Furnieren reicht das so oft schon aus. Stört der dunkle Fleck aber kann man mit der Farbenkastenfarbe den hellen Grundton anmischen, auftragen und trocknen lassen. Wenn die Farbe nicht getroffen wurde, einfach mit nem nassen Lappen abwischen und nochmal. Wenn der Farbton stimmt, einmal in einem Zug mit dem Pinsel Schellack auftragen und trocknen lassen und noch einen Pinselauftrag drüber. Am nächsten Tag ein paar normale Polliturschichten drüber – trocknen lassen und mit einem harten ausgefranzten Pinsel die Maserung aufbringen. Dazu wieder den Farbton mit Schwarz, Braun und ev. Rot anmischen und mit dem fast trockenen Pinsel in einem Zug in Maserungsrichtung die Farbe auftragen – trocknen lassen und wieder mit dem Pinsel Schellack auftragen , wie bei der Grundfarbe. Dann die Politur fortsetzen (Bild 1, Bild 2)."
An manchen Stellen war das Furnier wegsplittert. Die Splitter einsammeln und mit Holzleim wieder passgenau draufleimen. Dazu auch wieder Wattestäbchen zum Auftragen verwenden. Nach dem Trocknen wieder mit feinem Schleifpapier schleifen. Nach dem Lackieren fallen die Klebestellen kaum auf.
Stark verwitterter Lack kann mit dem Spachtel und Aceton beseitigt werden. Das ist schonender und vielleicht auch weniger anstrengend. Allerdings nicht für die Lunge, wenn man es nicht an frischer Luft im Freien machen kann. Dazu hatte ich aber bei Temperaturen um die -15 °C keine Lust. Abgesehen von der Gesundheitsgefährdung sind die Acetondämpfe hochexplosiv.
Ein paar Tipps zur Technik beim Auftragen mit dem Ballen: Den halben Wollsocken des Ballens habe ich mit etwa einem Esslöffel 20%iger Schellacklösung "befüllt". Dann kam noch dieselbe Menge Alkohol hinzu. Dann alles schön durchgeknetet und los ging es mit dem Auftragen des Schellacks durch Streichen des Ballens auf der Holzoberfläche. Ist der Ballen zu klebrig geworden, kam einfach ein Schuss Alkohol auf den Ballen. Dazu habe ich einfach die Alkoholflasche gegen das Baumwolltuch des Ballens gedrückt.
So habe ich das auch beim Porenfüllen gemacht. Zum Porenfüllen habe ich etwa einen halben Teelöffel Porenfüller auf die Oberseite verteilt und dann mit dem Ballen eingerieben. Diesen Vorgang wiederholt man ein paar Mal. Dazwischen etwa 20 Minuten trocknen lassen oder auch mal einen ganzen Tag.
Wenn dann zusätzliche mehrere Schichten Schellack (ohne Porenfüller) aufgetragen waren, kam es an das Polieren. Das geht besser mit ein paar Tropfen Paraffinöl auf dem Ballen. Der Ballen gleitet dann schön auf der Oberfläche und der Glanz stellt sich ein. Damit es schmiert, aber nicht klebt, muss vielleicht wieder etwas Alkohol auf den Ballen gegeben werden. Zum Schluss ist der Ballen vom Alkohol ausgewaschen und enthält fast kein Schellack mehr. Vieles kann man nicht beschreiben. Man hört beim Porenfüllen das schabende Geräusch und man spürt, wie der Ballen über die Oberfläche gleitet. Der Rest ist Übungssache. Es ist eben noch kein Meister vom Himmel gefallen. Gearbeitet habe ich im Keller bei 17 bis 20 °C und etwa 40% relativer Luftfeuchtigkeit. Für gute Belüftung sorgen, damit man nicht von den Spiritusdämpfen benebelt wird.
Nachfolgend wieder meine kommentierten Bilder über die Arbeitsfortschritte, welche sich über zwei Tage hingezogen haben:
Ausgangssituation. Das Frontbrett wurde nur für das Foto eingebaut. Endschliff mit 1200er Papier. Je glatter, desto weniger Arbeit beim Lackieren.
Die allererste Schicht mit dem Ballen aufgetragen.
20% Schellack in Alkohol.
Schellack wird in Schweden gerne zur Grundierung von Astlöchern verwendet. Selbstverständlich kann man auch Schellackblätter selbst in Alkohol auflösen. Dazu lässt man dem Schellack eine Nacht Zeit zum Auflösen. Eine 10%ige bis 15%ige Lösung eignet sich gut. Davon 2 Esslöffen in den Wollsocken des Ballen und es kann losgehen.
Laut Aufdruck besteht die Brühe aus 60 bis 70% Alkohol. Der Rest ist Schellack.
So ist der Ballen aufgebaut: Ein halber Wollsocken und ein Stück weißes Baumwollunterhemd. Auf die Socke kommt ein Esslöffel Schellacklösung und dieselbe Menge Alkohol. Leinen wäre besser statt Baumwolle. Leider hatte ich kein Leinen. Es geht auch ein Wollknäuel an Stelle alter Wollsocken, die man sonst entsorgen würde.
Den Ballen dann schön durchkneten, so dass das Tuch gut feucht ist. Aber es darf nichts tropfen. Dann kann damit der Schellack aufgetragen werden. Ich habe mir gleich noch so einen Ballen angefertigt, denn ich nur für das Einmassieren des Porenfüllers verwende. Dazu kommt dann vorher etwas Porenfüller auf die Holzoberfläche. Mit dem Ballen wird dann die Schmiere einmassiert.
Die Ballen bewahrt man in Gurkengläsern luftdicht auf, damit die Ballen nicht austrocknen.
So sah das Ergebnis am 2. Tag aus. Nach dem Auftragen mehrerer Schichten mit dem Ballen hat sich ein seidenmatter, gleichmäßiger Glanz eingestellt. Dummerweise hatte ich kein Porenfüller verwendet, weil ich dachte, das Holz ist feinporig genug. Wenn der Ballen anfing zu kleben, kam ein Schuss Alkohol "aus der Pulle" direkt auf den Ballen. Dann rutschte der Ballen wieder schön.
Das Frontbrett am 2. Tag der Behandlung. Hier wurde auch nur mit dem Ballen augetragen. Das Brett wurde vorher nur angeschliffen, damit das Furnier nicht am Lautsprechergitter beschädigt wird. Die Ballentechnik hat sich hier bewährt, weil dann so kein Schellack in die untere Ebene des Gitters geflossen ist. Kleine Fehler sind unerheblich, da sie durch das Skalenglas und andere Bauteile später verdeckt werden.
Zweiter Tag. An der rechten Kante war das Fournier beschädigt und durchgeschliffen. Wie im Text beschrieben wurde, wurde die Stelle mit einer Lösung aus Instant-Kaffeepulver nachgedunkelt. Dunkle stellen wirken natürlicher als helle.
Nach dem Polieren mit dem Ballen unter Zusatz von wenigen Tropfen Paraffin als Polieröl auf den Ballen hat sich dann der gewünschte Glanz endlich eingestellt. Der Farbunterschied im Vergleich zum vorangegangenen Bild kommt durch die andere Beleuchtungstechnik zu Stande. Perfekter Hochglanz ist das noch nicht. Aber mir reicht es für ein Radiogehäuse. Der Glanz und der Farbton kommt der ursprünglichen Oberflächenbeschaffenheit sehr nahe.
Zwei Tage später habe ich dann den Ballen mit etwas Schellack neu befüllt und ein paar weitere Schichten im Abstand von 20 Minuten aufpoliert. Danach mit etwas Polieröl auf den Ballen ordentlich poliert. Nun reicht mir das Ergebnis. Gegenstände spiegeln sich auf der polierten Schellackfläche. Das ist besser gelaufen als ich dachte.
Am dritten Tag erhielt die Oberfläche weitere Schichten Schellack mit dem Ballen. Mit ein paar Tropfen Paraffinöl geschah wieder die Endpolitur. Nun reicht es aber. Das Skalenglas verdeckt später die hellen Flecken auf der Front.
Jetzt muss "nur noch" alles zusammenbaut werden. Ach ja, ein anderes Magisches Auge kommt ja auch noch rein und der seitliche Drehknopf muss noch repariert werden.
Hier geht es weiter zum 5. Teil!