20. September 2024 (zuletzt aktualisiert am 26.9.24)
Das vorliegende UKW-Röhrenradio PHILIPS B3S 81 A war mehrere Jahrzehnte nicht mehr in Betrieb und wurde bei Aufräumarbeiten nach einem Todesfall in der Familie entdeckt. Der Besitzer hatte es geerbt. Für ihn hat es einen ideellen Erinnerungswert und ich restaurierte es für ihn. Der Vorgang dauerte etwa 8 Stunden und ist nachfolgend als Fotostrecke festgehalten.
Diskussion: https://www.wumpus-gollum-forum.de/forum/thread.php?board=5&thread=295
Das Röhrenradio PHILIPS B32 81 A wurde für den schwedischen Markt angeboten. Auf Grund des Röhrensatzes (siehe Foto von der Rückwand) schätze ich das Erscheinungsjahr des Radios auf Ende der 1950er- oder Anfang der 1960er Jahre. Das Herstellungsjahr ist wahrscheinlich 1958. Eine Besonderheit ist, dass das Radio einen erweiterten Langwellenbereich besitzt, um LUFOR empfangen zu können. Mit LUFOR werden Nachrichten für den Kriegs- und Katastrophenfall übermittelt. Dies ist ein Relikt aus den Zeiten des Kalten Krieges.
Vorgehensweise in Stichworten: Sichtkontrolle. Ein Drehknopf fehlt. Beschaffung zweier ähnlicLIher oder Nachbildung geplant. Chassis ausgebaut, mit Pinsel und Staubsauger vom Staub befreit. Dann mit vielen Wattestäbchen und Glasreiniger gereinigt. Kontakte und bewegliche Teile mit Kriechöl gereinigt und wieder beweglich gemacht. Netzkabel ausgetauscht. Skalenlampe und ihre Halterung ausgetauscht. Magisches Auge EM80 durch eine chinesische 6E2 (EM87) ersetzt und Schaltung dafür angepasst. UKW-Vorröhre ECC85 durch eine neue ersetzt. Danach ging der UKW-Empfang wieder. Ganz wichtig: In Serie zum wahrscheinlich leckenden Koppelkondensator zum Steuergitter der Audio-Endröhre einen Koppelkondensator (Keramik 100 nF 1000 Volt) geschaltet, damit der Leckstrom nicht den Arbeitspunkt der Endröhre hin zu unzulässig hohen Anodenströmen verschieben kann. Vor dem ersten Einschalten den Siebelko überprüft mit Komponententester. Ein Formieren war nicht notwendig. Nach dem Einschalten keine verdächtigen Erscheinungen. Nur UKW ging nicht. UKW war tot. Es lag an der ECC85 die ich austauschte. Skalenlampe ging wie zu Erwarten auch nicht und wie üblich war das Magische Auge defekt.
Das Radio hat also schon sehr viele Betriebsstunden hinter sich, weil Skalenlampe und Magisches Auge defekt. Der lockere Staub im Gerät spricht für einen Betrieb im Wohnzimmer. Spuren von Zigarettenrauch waren nicht zu erkennen.
Kunststoffteile des Gehäuses mit Glasreiniger gereinigt, teilweise mit Autolackreiniger auf Hochglanz poliert. Drehknöpfe mit Ultraschall und Zahnbürste gereinigt. Das Holz des Gehäuses mit Schleifpapier 400er, 600er und anschließend 1200er Papier geschliffen, immer in Holzfaserrichtung und nie an den Kanten, um diese nicht zu beschädigen. Mit trockenen Lappen und weicher Bürste Schleifstaub entfernt und dann mit Möbelpolitur mehrfach nachbehandelt.
Abschließend Gerät getestet und funktioniert auf allen Bändern. Antennendraht mit Bananenbuchsen angefertigt, damit der Besitzer etwas hören kann. Ohne Antenne kein Empfang möglich. Radio ist auf Kurzwelle empfindlich, abends konnten ich noch ein paar Mittelwellensender empfangen und auf UKW ist das Radio so empfindlich, wie man es von Röhrenradios gewohnt ist.
Fotostrecke: Alle Fotos für die Großdarstellung anklicken.
Fast fertig. Spielt auf allen Bändern. Hässlich ist natürlich noch dieser provisorische schwarze Drehknopf. Irgendwann wird sich dafür auch noch ein passendes Ersatzteil auftreiben lassen oder man macht den Drehknopf nach.
Der fehlende Drehknopf: Durchmesser 30 mm. Achsdurchmesser: 6 mm
Drehknöpfe selber gießen: Anleitungen dafür gibt es im Internet, z.B.auf
— https://www.radiomuseum.org/forumdata/upload/307-312_Knoepfe.pdf
— https://www.jogis-roehrenbude.de/Formteile.htm
— https://www.radiomuseum.org/forum/drehknoepfe_selbst_gefertigt_1.html
— https://www.radiomuseum.org/forum/drehknoepfe_selbst_gefertigt_2.html
Noch ein paar Anmerkungen zu meiner Restaurierung, die besonders an den Anfänger gerichtet sind: Mir ging es darum zu versuchen ein vernünftiges Ergebnis zwischen Kosten, Zeitaufwand, optischen Eindruck und technischer Funktionalität zu erzielen. Außerdem kann man durch zu viel Restaurieren und Reparieren Schäden verursachen. Das ist zum Beispiel beim Schleifen des Furniers der Fall. Schleift man zu viel, sind schnell die Kanten durchgeschliffen, was sehr hässlich aussieht und man müsste neu furnieren, was nicht so einfach ist. Also lässt man lieber einige Gebrauchsspuren sichtbar und schleift die Kanten nicht.
Von einem Neuabgleich, um das Letzte an Empfindlich herauszuholen, habe ich auch abgesehen. Wenn man Pech hat, bricht ein Spulenkern ab und dann hat man ein Problem. Das Radio ist ja im üblichen Rahmen empfindlich. Zudem gibt es für UKW rauscharme Vorverstärker, die unter Umständen den Empfang verbessern, vorausgesetzt man empfängt nicht zu viel Rauschen. Ein rauscharmer Antennenverstärker hat keinen Nutzen, wenn er das empfangene Rauschen verstärkt. Man testet die Empfangssituation mit einem empfindlichen Referenzempfänger. Wenn dieser ein besseren Empfang liefert, lässt sich mit angepassten Antennen und Vorverstärkern noch etwas herausholen. Ich sehe das pragmatisch.
Dann habe ich auch davon abgesehen sämtliche Papierkondensatoren zu tauschen. Dabei kann auch einiges schiefgehen. Je nach dem wo der Papierkondensator in der Schaltung eingesetzt ist, hat sein Leckstrom kaum Einfluss auf die Funktion der Schaltung. Ist das Radio auf allen Bändern relativ unempfindlich, könnten die leckenden Kondensatoren an den Schirmgittern die Schirmgitterspannungen herabsetzen. Das könnte auch an hochohmig gewordenen Widerständen an den Schirmgittern liegen. Das kann man mit dem Multimeter nachmessen. Konsequent bin ich beim Koppelkondensator zum Steuergitter der NF-Endpentode. Wenn dieser Koppelkondensator leckt, erhöht sich der Anodenstrom. Im schlimmsten Fall glüht das Anodenblech und der hohe Strom kann neben der Röhre selbst noch das Netzteil beschädigen. Entweder man tauscht diesen Koppelkondensator oder man schaltet in Serie zu ihm einen weiteren ausreichend spannungsfesten und modernen mit einer Kapazität, die etwa 5 bis 10 Mal so hoch ist wie der alte Koppelkondensator. Wenn die Bässe noch gut zu hören sind, ist die Gesamtkapazität der beiden in Serie geschalteten Koppelkondensatoren ausreichend hoch. Ist man mit der Klangregelung nach Gehör unzufrieden, kann ein Austausch der Kondensatoren in der Klangregelstufe sinnvoll sein. Das ist alles Ermessenssache. Man sollte immer im Hinterkopf haben, dass der Wunsch nach einem perfekten Ergebnis in einem Desaster enden kann.
Den Selengleichrichter habe ich so belassen, obwohl er auch ein kritisches Bauteil ist. Und die Skalenseile habe ich auch nicht getauscht. Sollte ein Defekt auftreten, kann der Besitzer das kleine Radio vorbeibringen und ich behebe den Schaden.
Die bedruckte Seite der Skalengläser darf man niemals waschen oder mit Wasser in Berührung bringen! Hier gehe ich kein Risiko ein. Man sprüht auch nicht das Radio mit Reinigungsmitteln ein, sondern geht mit feuchten Tüchern und Wattestäbchen gezielt an die Arbeit. Dabei lernt man auch die Bauteile und den Aufbau kennen und sieht kritische Stellen.
Beim Radio habe ich die Netzspannung von 220 auf 240 Volt umgestellt, weil wir hier meistens zwischen 230 und 240 Volt Netzspannung haben. Besonders hoch ist die Spannung, wenn Solaranlagen kräftig ins Netz einspeisen. Die Temperatur des Netztrafos sollte man überprüfen, ob er auffallend heiß wird. Das schadhafte Netzkabel hatte ich auch noch ausgetauscht, damit das Radio einen passenden zweipoligen Eurostecker erhält. Für die Reparatur des Radio bin ich mit einem Multimeter und einem Komponententester ausgekommen. Ein Schaltbild hatte ich nicht. Mir standen nur die Röhrendaten zur Verfügung und das Wissen, welche Funktion welche Röhre im Radio hat. Wie ein Superhet aufgebaut ist und wie Röhren und die passiven Bauteile funktionieren, muss man wissen. Andernfalls baut man nur Mist.
Noch eine Kleinigkeit, die ich bei diesem Projekt wieder gelernt hatte. Drähte sollte man lieber abzwicken statt sie abzulöten. Klingt zwar unprofessionell, man ist aber auf der sicheren Seite. Beim Ablöten zerrt man doch an den Drähten und dabei können die maroden Lötfahnen oder andere brüchige Bauteile abbrechen. Besonders dumm ist das beim Lautsprecher. Den muss man meist Ablöten, um das Chassis aus dem Gehäuse ziehen zu können. Abgezwickte Drähte lassen sich gefahrlos wieder anlöten.
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Einbau eines Bluetooth-Empfängers: Ich habe dem Radio einen Bluetooth-Empfänger verpasst. Damit hört man via Bluetoothverbindung alles, was normalerweise aus dem quäkenden Lautsprecher des Smartphones zu hören wäre im Radio, wenn man den Grammophon-Eingang aktiviert.
Die benötigten 5 Volt DC für den Bluetoothempfänger kann man aus den 6,3 Volt AC der Heizspannung per Einweggleichrichtung gewinnen. Parallel zur Gleichrichterdiode ist ein Kondensator 100 nF zu schalten, damit es auf den AM-Bändern nicht brummt. Man hat dann etwa 7,7 Volt DC, die man einem 5 Volt Festspannungsregler zuführt. Dann noch ein paar Elkos und 22 nF-Kondensatoren gegen die Schwingneigung und fertig.
Den Bluetoothempfänger so einbauen, dass seine Antenne frei nach vorne abstrahlen kann. Beim Einbau darauf achten, dass alles so befestigt ist, dass keine Kurzschlüsse entstehen können. Für den Umbau habe ich keine Löcher Bohren müssen. Man kann alles wieder in den Originalzustand versetzen.
Das Angebot an UKW-Stationen ist auf dem schwedischen Land sehr sparsam und einseitig. Mit dem Bluetoothempfänger steht einem das Angebot des gesamten Internets zur Verfügung. Das bedeutet man kann zwischen 10.000en verschiedenen Audiostreams auswählen. VTuner ist zum Beispiel eine Plattform auf der man Audiostreams in fast allen Musikstilrichtungen findet.
Man muss einfach mit der Zeit gehen, wenn man das vielleicht etwas angestaubte Image des Röhrenradio-Steckenpferds etwas aufpolieren möchte. Dies Bluetooth-Empfänger kosten nicht viel und sind eine pragmatische Lösung, um den Gebrauchsnutzen von Röhrenradios zu steigern. Das gilt besonders für Radios, die nur AM können und quasi wegen der fehlenden Sender arbeitslos geworden sind.
Siehe auch https://elektronikbasteln.pl7.de/bluetooth-audio-receiver.
Hier ein paar Fotos vom Einbau und der Schaltung:
Zwei neue Drehknöpfe für das Radio: Nur der Fachmann wird wahrscheinlich den Unterschied merken und vorerst wird man mit dieser Lösung gut leben können.
Und so bin ich vorgegangen: