31. März 2021 (zuletzt aktualisiert am 14.10.2024)
Der nachfolgend beschriebene Transistorkennlinienschreiber stellt die Ausgangskennlinienschar von npn- und pnp-Transistoren auf einem Oszilloskop dar und liefert damit mehr Auskünfte über den Zustand eines Transistors als ein Komponententester, der allerdings praktischer in seiner Handhabung ist und ebenfalls in keiner Werkstatt fehlen sollte. Beide Geräte ergänzen sich. Der hier vorgestellte Transistorkennlinienschreiber aus dem Jahr 1989 ist einfach zu bedienen. Die Bauteilebeschaffung ist unproblematisch. Das Gerät arbeitet analog und kommt ohne Firmware, Treiber und Software aus.
Dieser Kennlinienschreiber ist für npn- und pnp-Transistoren geeignet. Er arbeitet mit einer maximalen Emitter-Kollektorspannung von etwa 8 Volt und liefert einen Kollektorstrom von maximal etwa 300 mA bis die Strombegrenzung einsetzt. Um auch Leistungstransistoren besser untersuchen zu können, wurde nachträglich ein Umschalter eingebaut, um die Transistoren mit höheren Basisströmen versorgen zu können. Die Umbauanleitung für diese Erweiterung ist weiter unten im Text beschrieben.
Projekt als Bausatz: Den transistor curve tracer gibt es sogar mit fast identischer Schaltung als Bausatz. Das erspart eine Menge Zeit, denn die zu bestückenden Platinen sind mitgeliefert.
Video über den Zusammenbau eines transistor curve tracer in fast identischer Bauweise.
Manual mit Schaltbild zum Bausatz: https://drive.google.com/drive/folders/1S8v0HZWrjlSXGV_RWlMEojOzjmSgrMOb
Bemerkenswert ist, dass dieser Bausatz laut Schaltplan seit 2014 existiert. Er enthält in etwa die gleichen Verbesserungen, auf die ich unabhängig davon auch gekommen bin. Die Betriebsspannungen sind stabilisiert und für Leistungstransistoren kann auf einen höheren Basisstrom umgeschaltet werden. Die erfolgt offenbar ebenfalls mit Relais, wie sie bei mir auch zum Einsatz kommen. Dies ist ein schönes Beispiel, wie Menschen unabhängig voneinander auf ähnliche Ideen und Lösungen kommen. Schade nur, dass der Bausatz, keine FETs messen kann. Aber dafür habe ich eine Erweiterung entwickelt, die mit einem Operationsverstärker auskommt. Der Link steht weiter unten.
Man suche in Ebay nach „CH-012 transistor curve tracer“ und mit etwas Glück findet man den Bausatz.
Erweiterung der Schaltung für FETs: Prinzipiell lässt sich die Schaltung auch erweitern, um alle vier Grundarten (selbstleitende und selbstBersperrende p- und n-Kanal-Typen) von Feldeffekttransistoren damit zu untersuchen. Bei FETs wird eine Spannungsquelle für die Ansteuerung des Gate benötigt. Bipolare Transistoren benötigen allerdings eine Stromquelle. Schließt man an die Stromquelle ein Widerstand an, fällt an ihm eine Spannung ab und somit erhält man eine Spannung, um das Gate anzusteuern. Die Spannungsquelle wird nicht belastet, da durch das Gate praktisch kein Strom fließt. Wie der Umbau genau geht, ist in einer Bachelor-Arbeit beschrieben. Der Link zu ihr steht weiter unten im Text.
Unter https://elektronikbasteln.pl7.de/fet-erweiterung-fuer-einen-transistorkennlinienschreiber habe ich inzwischen eine Zusatzschaltung für FETs und MOSFETs vorgestellt. Um genügend hohe Spannungen für das Gate zur Verfügung zu stellen, kommt ein Operationsverstärker zum Einsatz.
Grundprinzip am Beispiel bipolarer Transistoren erklärt: Die Ausgangskennlinie eines Transistors stellt für einen bestimmten Basisstrom IB auf der horizontalen x-Achse die Spannung UCE zwischen Kollektor und Emitter dar. Auf der vertikalen y-Achse ist der Kollektorstrom IC dargestellt. Stellt man mehrere Ausgangskennlinien für verschiede Basisströme gleichzeitig dar, erhält man eine Ausgangskennlinienschar. Wir könnten diese Kennlinienscharen mit Papier und Bleistift, ein paar Multimetern, einer einstellbaren Strom- und einer Spannungsquelle mühselig von Hand erzeugen, was uns die Freude an der Elektronik gründlich vermiesen würde. Es geht mit einem Transistorkennlinienschreiber in Verbindung mit einem Zweikanaloszilloskop viel eleganter. Unter
https://www.elektronik-kompendium.de/sites/bau/0203112.htm
sind die Kennlinien eines Transistors erklärt.
Der Kennlinienschreiber erzeugt für die Darstellung der Kollektor-Emitter-Spannung UCE ein Trapez- oder Dreiecksignal. Für npn-Transistoren schwankt diese Spannung zwischen 0 und 8 Volt. Für pnp-Transistoren schwankt sie zwischen 0 und -8 Volt. Das Trapezsignal hat eine Frequenz von etwa 400 bis 600 Hz, damit die Darstellung auf dem Schirm nicht flimmert.
Für die Erzeugung der verschiedenen Basisströme liefert der Kennlinienschreiber ein Treppenstufensignal, das umschaltbar 4 oder 8 Stufen besitzt, was 4 bis 8 verschiedenen Basisströmen entspricht.
Die Schaltung: Das Projekt ist ein Nachbau und wurde in ELEKTOR ELECTRONICS DECEMBER 1989, Seite 60 bis 63, Transistor Curve Tracer, von T. Wigmore veröffentlicht ( siehe entsprechende PDF-Datei auf https://archive.org/details/Elektor_Uk_1989_12.pdf/page/n49/mode/2up ).
Auf niederländisch wurde diese Projekt in der Zeitschrift Elektuur Nr. 314, Dec 1989, Transistor-Curve-Tracer, Seite 44 – 49 ( https://de.scribd.com/document/336633704/Elektuur-314-1989-12 oder https://drive.google.com/drive/folders/1qAr5luhm1zOJq5glHsL17EZSQvF2ED1j ) mit einem Platinenlayout veröffentlicht. Die Platine erleichtert den Nachbau erheblich. Ich habe die Platine mit der Toner-Transfer-Methode erzeugt. Dazu reichen im Prinzip hochglänzendes Katalogpapier, ein Bügeleisen und ein Laserdrucker aus.
Außerdem wurde diese Schaltung im Rahmen einer Bachelorarbeit für die Darstellung von Feldeffekttransistoren erweitert ( http://eprints.utar.edu.my/88/1/EE-2011-0703010-1.pdf ).
Die Schaltung kommt mit klassischen Bauteilen aus, die leicht beschaffbar sind. Es werden neben diskreten Bauteilen zwei ICs benötigt. Das Treppensignal erzeugt das C-MOS-IC 4024. Dann wird noch der 4-fach-Operationsverstärker TL084 benötigt, der eigentlich in keiner Bastelkiste fehlen sollte. Für die beiden Endstufentransistoren habe ich irgendwelche aus der Bastelkiste genommen, die mir passend erschienen und einen ähnlichen Stromverstärkungsfaktor hatten.
Beim Aufbau habe ich mich an die Vorgaben aus den beiden Zeitschriften gehalten und keine Modifikationen vorgenommen. Die Schaltung begrenzt den Kollektorstrom auf maximal 300 mA und die maximale Kollektorspannung beträgt 8 Volt. Damit lassen sich bedingt auch Leistungstransistoren messen. Wer will, kann die Schaltung für mehr Kollektorstrom „aufbohren“. Praktisch ist, dass 1 mV auf der y-Achse 1 mA Kollektorstrom entspricht.
Eine Diskussion über dieses und ähnliche Projekte findet auf https://www.wumpus-gollum-forum.de/forum/thread.php?board=54&thread=255&page=1 statt.
Mechanische Umsetzung: Zum Einsatz kam der Leiterplattenentwurf aus der niederländischen Zeitschrift Elektuur, der einem viel Arbeit erspart. Der Netztrafo aus meiner Schrottkiste liefert nach der Gleichrichtung plus minus 12 Volt und nicht 14 Volt wie empfohlen. Dennoch reicht die Spannung aus, die 15 Volt nicht übersteigen darf, da sonst der Vierfach-OP TL084 zerstört werden würde. Falls der Trafo zu viel Spannung liefert, müsste diese stabilisiert werden. Mein Trafo passte natürlich nicht auf die Leiterplatte, weshalb ich sie seitlich kürzte und den Trafo extern montierte. Eventuell ist der Trafokern leitend mit der Masse zu verbinden, um Störimpulse zu unterbinden.
Das Gehäuse besteht seitlich aus zwei Latten. Der Deckel und der Boden besteht aus dünnem Sperrholz. Vor- und Rückseite bestehen aus 1 mm dickem Aluminiumblech. Die Holzteile habe ich mit der Spraydose lackiert.
Praktischer Messbetrieb: Kleinleistungstransistoren lassen sich direkt in eine 5-polige DIN-Diodenbuchse stecken. Die Beschaltung der Buchse ist von links nach rechts Emitter -Basis – Kollektor – Emitter – Basis. Dadurch lässt sich jede Anschlussbelegung bewältigen. Für größere Transistoren habe ich mir einen Adapter mit drei Krokodilklemmen gebaut.
Der Transistorkennlinienschreiber lässt sich sowohl über zwei BNC-Koaxialkabel als auch eine weitere DIN-Diodenbuchse mit dem Oszilloskop verbinden.
Für den praktischen Betrieb sollte ein moderner Komponententester vorhanden sein, mit dem sich die Anschlussbelegung herausfinden lässt. Fatal ist es, wenn PNP und NPN verwechselt werden. Der Transistor wird im verpolten Betrieb im besten Fall spürbar heiß.
Ausblick: Ein paar Kleinigkeiten möchte ich noch anpassen. Beim Testen des 2N3055 konnte ich nur eine maximalen Kollektorstrom von 10 mA erreichen, obwohl dieser Transistorkennlinienschreiber mindestens 300 mA liefern kann. Deshalb möchte ich die Basisströme des Treppensignals für Leistungstransistoren mit geringen Stromverstärkungsfaktoren erhöhen.
Weiterhin lässt sich die Strombegrenzung einstellen. Der maximal mögliche Kollektorstrom hängt von der Leistungsfähigkeit des Netztrafos und der beiden Komplementärtransistoren hinter dem TL084 ab. Eventuell denke ich hier eine Darlingtonschaltung zum Einsatz kommen zu lassen, um den Ausgang des TL084 nicht zu überlasten.
Außerdem lässt sich der Kennlinienschreiber für FETs leicht umbauen. Für das Gate des FET wird eine Spannung benötigt. Diese Spannung fällt dann an einem zusätzlichen Widerstand ab, der vom Strom des Treppensignals gespeist wird. Siehe dazu die bereits erwähnte Bachelor-Arbeit.
Für umfangreiche Modifikationen möchte ich meinen jetzigen Aufbau nicht verhunzen, da er erstaunlich gut für die bipolaren Transistoren funktioniert.
Erweiterung für höhere Basisströme: Leistungstransistoren haben einen relativ geringen Stromverstärkungsfaktor. Um solche Transistoren auch mit höheren Kollektorströmen testen zu können, müssen die Basisströme erhöht werden können. Deshalb baute ich einen zusätzlichen Kippschalter ein, mit dem sich die Basisströme etwa um den Faktor 10 erhöhen lassen.
Die teils parallel und und in Serie geschalteten 100k-Ohm-Widerstände R2 bis R6 bestimmen die Höhen der Treppenstufen des Treppensignals für die Erzeugung der unterschiedlichen Basisströme. Es handelt sich durch die Reihen- und Parallelschaltungen zusammengefasst um drei Widerstandswerte von 200 kOhm, 100 kOhm und 50 kOhm. Schaltet man parallel zu diesen Widerständen 10k-Ohm-Widerstände nach dem gleichen Muster, erhöhen sich die Basisströme etwa um den Faktor 10. Der C-MOS-Baustein CD4024 kann die notwendigen Ströme noch liefern. Die zusätzlichen Widerstände lasen sich mit einem 3-fach-Schalter zuschalten. Da ich nur einen einfachen Schalter hatte, nahm ich in der Not ein Relais mit 3 Schließkontakten.
Nachträgliche Stabilisierung der Versorgungsspannungen: Die Schaltung hat leider einen kleinen Schönheitsfehler. Die Ausgangskennlinien flattern etwas auf der rechte Seite 1 mm waagrecht hin- und her. Die Ursache liegt in den beiden unstabilisierten Versorgungsspannungen. Der Entwickler der Schaltung erklärte in seinem Artikel, dass die Schaltung ohne Spannungsstabilisierung auskommt. Das stimmt aber nur in der Theorie. In der Praxis kann das leichte Flattern stören, wenn man den Kennlinienschreiber für Demonstrationszwecke verwenden möchte.
Übrigens hilft es nichts die beiden Siebelkos zu vergrößern. Es flattert dann immer noch. Ich habe dann den Kennlinienschreiber mit einem stabilisierten Doppelnetzteil betrieben. Das Flattern war verschwunden. Die Spannung darf zwischen 11 und 15 Volt liegen, also insgesamt zwischen 22 und 30 Volt. Mehr als 15 Volt könnte der TL084 nicht vertragen.
Wenn man die beiden symmetrischen Spannungen stabilisiert, ist man auch flexibler in der Auswahl des Trafos. Am besten nimmt man Festspannungsregler für negative und positive Versorgungsspannungen. Ich habe jetzt einen passenden Trafo mit 15,5 Volt Ueff gefunden, der größenmäßig passt. Festspannungsregler für -15 Volt (7915) und +15 Volt (7815) waren vorhanden und kamen zum Einsatz. Vorsicht bei den Anschlussbelegungen der Festspannungsregler. Sie sind unterschiedlich.
Am besten wäre es das stabilisierte Netzteil auf einer getrennten Platine zu realisieren. Aus Platzgründen musste ich die zusätzlichen Bauteile auf der Unterseite der Platine unterbringen und einige Leiterbahnen durchtrennen. Den neuen Aufbau hatte ich mit geschlossenem Deckel zwei Stunden lang getestet, während ein angeschlossener Transistor maximal 200 mA Kollektorstrom zog.
Temperaturverhalten: Der Kennlinienschreiber verträgt kein kapazitiven Lasten. Hängt man zwischen Emitter- und Kollektoranschluss einen Kondensator von 22nF oder größer, entsteht heftige Schwingneigung und die Endstufentransistoren werden heiß. Normalerweise macht man das auch nicht.
Leider wird der neue Netztrafo nach einigen Stunden im Leerlauf 42 °C warm und unter Volllast etwa 50 °C warm. Ich hoffe, das ist noch normal. Oder Windungsschluss?? Es ist irgendein japanischer Typ, den ich mal vor langer Zeit aus einem Radio ausgeschlachtet haben muss. Die Isolationseigenschaften sind hervorragend. Er brummt auch nicht im geringsten. Durch den Trafo heizte sich das Gehäuse innen auf 55 °C auf. Dabei funktionierte die Schaltung noch völlig normal. Dennoch habe ich 42 Belüftungslöcher von 8 mm Durchmesser mit einem Holzbohrer in den Deckel gebohrt. Jetzt sind es nur 36° C im Gehäuse. Zum Glück stören die Belüftungslöcher nicht das Erscheinungsbild. Jedenfalls werde ich den Kennlinienschreiber nicht stundenlang unbeaufsichtigt laufen lassen.
Der transistor curve tracer am alten russischen C1-94: Es klappt auch mit dem alten C1-94, den ich seit 35 Jahren besitze.
Der dritte Netztrafo: Der letzte Trafo wurde mir mit über 50 °C zu heiß, was ich mir nur mit einem Windungsschluss erklären kann. Deshalb baute ich ihn aus und ersetzte ihn durch einen, den ich in einem Steckernetzteil 15 Volt AC / 1 Ampere fand. Dieser wird im Betrieb höchstens 42 °C warm. Die Umbaumaßnahmen hätte ich mir sparen können, wenn ich die alten Trafos vorher mehrere Stunden getestet hätte.
Netzbrumm: Nach dem Zusammenbau zitterte das Bild etwas bei geringen Basis- und Kollektorströmen. Deshalb verdrillte ich einige Kabel und verlegte sie neu, was kaum Abhilfe leistete. Die Ursache lag darin, dass die BNC-Koaxkabel zwischen Oszilloskop und dem Kennlinienschreiber dicht an einem Steckernetzteil vorbeiführten.
Ich hoffe nur, dass dieses Projekt nun endlich abgeschlossen ist.