Reparaturbericht Röhrenradio Luxor Sopran 797W, Teil 1

Sopran03

Bildreportage über die Reparatur und Restaurierung eines Röhrenradios Luxor Sopran 797W, Teil 1

Auf einem Finspånger Flohmarkt entdeckte ich versteckt zwischen alten Möbeln ein Röhrenradio aus den 50er Jahren mit typisch schwedischem Design in einem heruntergekommenen und desolatem Zustand. Innen war das Radiochassis mit einer dicken Staubschicht überzogen. Nach kurzem Zögern entschloss ich mich das Radio zu erwerben, denn ich suchte eine Herausforderung. Außerdem wollte ich nicht, dass ein anderer das Radio kauft, der es vielleicht nur ausschlachtet oder bei der Reparatur vorzeitig aufgibt. Alte Radios müssen erhalten werden.

Hersteller: Luxor AB, Schweden
Typ: Sopran 797W
Baujahr: wahrscheinlich Mitte der 50er Jahre
Röhrenbestückung: ECC85, ECH81, EF85, EF80, EABC80, EL84, EZ80, EM34
Schaltbild: Leider noch nicht gefunden.

Wellenbereiche (laut Angaben auf der Skala):
UKW (MHz): 86 – 101
Kurzwelle 1 (Meter): 16,5 – 50,5
Kurzwelle 2 (Meter): 71 – 217
Mittelwelle (Meter): 190 – 571
Langwelle (Meter): 690 – 2020

Die Röhrenbestückung ist ungewöhnlich. Ein Schaltbild habe ich nicht gefunden. Die Diskussion über die Instandsetzung kann hier im Wumpus-Gollum-Forum verfolgt werden. Ebenso ungewöhnlich wie die Röhrenbestückung sind die Bedienung und das Design, welches typisch für schwedische Radios der 50er Jahre war.


Luxor Sopran 797W im ramponierten Zustand. Einfach schäbig. Links der Schalter für die Lautsprecherumschaltung. Die Knöpfe an der Front von links nach rechts. 1. Drehschalter kombiniert mit Netzschalter und dreistufiger Tonblende. Poti innen für die Tonblende, 2. Lautstärke, 3. Frequenz für die AM-Bereiche (Langwelle, Kurzwelle, Mittelwelle), 4. Drehschalter für UKW, AM-Bänder und Eingang des Plattenspielers oder Tonbands, Knopf innen für die UKW-Frequenz.


Nach der Reparatur und Restaurierung. In den nachfolgenden Kapiteln ist der Werdegang der Arbeiten Schritt für Schritt festgehalten.

Zustand des Gerätes beim Kauf: Der Zurstand war typisch für ein Radio, das vielleicht seine letzten Jahre in der rauen Umgebung einer Werkstatt verbrachte und dann für viele Jahre auf dem Dachboden verschwand: Verschrammtes und verdrecktes Gehäuse, verwitterter Lack, verdrecktes Skalenglas, wellige Rückwand, am seitlichen Drehschalterknopf ein Stück abgebrochen, Staub, Spinnweben und Dreck innen, ein festgefressenes Poti, sehr schwergängiger Drehkondensator, lockere und gerissene Skalenseile, verdreckte Knöpfe, Kunststoffblende für die Beschriftung der Drehknöpfe gewellt und verdreckt, korrodierte und verschmutzte Kontakte der Schalter und Röhrensockel.

Eine elektrische Überprüfung vor dem Einschalten ergab, dass die meisten Elkos des Netzteils defekt waren. Außerdem mussten einige Koppelkondensatoren wegen iher Leckströme ausgetauscht werden. Nach dem Einschalten zeigte sich eine durchgebrannte Skalenlampe und eine sehr schwache Leuchtkraft des Magischen Auges.

Insgesamt alles typische Fehler eines verwahrlosten Radios.

Grundsätzlich Vorgehensweise in Stichworten: Ausbau des Chassis, vorsichtiges Abstauben mit dem Pinsel, dabei die feinen Spulendrähte nicht abreißen. Reinigen mit Glasreiniger, Zahnbürste und Wattestäbchen. Immer um die Bedruckungen wischen, z.B. bei den Röhren. Die bedruckte Seite des Skalenglases darf deshab nicht gereinigt oder berührt werden.

Beim Reinigen Sichtkontrolle auf der Suche nach fehlenden oder verschmorten Teilen, schlechten Lötstellen oder defekten Kabeln vornehmen. Alle Sicherungen waren in Ordnung. Sämtliche Kontakte wurden mit diversen Sprays gereinigt, auch die Röhrensockel und der Netzschalter. Alle beweglichen Teile wurden ebenfalls mit diversen Sprays gereinigt und wieder leichtgängig gemacht. An die Skalenseile darf kein Fett oder Öl gelangen. Ein Skalenseil musste ersetzt werden. Viele Teile waren schwergängig durch den Dreck und die Verharzungen, welche über die Jahrzehnte entstanden.

Vor dem Einschalten wurden die Elkos des Netzteils auf Kapazität und Leckströmen überprüft. Alle ursprünglich eingebauten Elkos waren alle defekt und wurden ersetzt. Die Anschlüsse waren wegkorrodiert oder die Kapazität war nicht mehr vorhanden. Ein Elko wurde bereits von einem Vorgänger ersetzt. Diesen Ersatz konnte ich an anderer Stelle im Gerät einsetzen, da er noch vollkommen in Ordnung war hinsichtlich seiner Kapazität und seinem Leckstrom.

Die Koppelkondensatoren der EL84 wurden vorsorglich ersetzt, damit die Leckströme dieser den Arbeitspunkt der EL84 nicht verstellen. Das mache ich obligatorisch. Der Elko und der Widerstand an der Kathode der EL84 wurden überprüft und waren in Ordnung.

Besonderheiten beim Ausbau des Chassis: Auf der Unterseite mit vier Schrauben befestigt. Alle Knöpfe entfernen. Den Schalter an der Seite von innen abschrauben durch Lösen der Schraube, dann abziehen. Die beiden Kabel am Lautsprecher ablöten. Die beiden Halterungen der Skalenlampen abziehen. Vorher mit Kontaktspray den Sitz lösen. Die Halterung des Magisches Auge kann durch Lösen der Rändelmutter vom Gehäuse abgezogen werden. Der Skalenzeiger für LMK muss vor dem Ausbau von innen abgeschraubt werden! Die Kabelbäume von den Klammern am Gehäuse lösen. Dann kann das Chassis nach hinten herausgezogen werden.

Einschalten: Da das Netzteil repariert wurde, die typischen Fehler einer NF-Endstufe beseitigt wurden, alle Sicherungen in Ordnung waren und keine verschmorten Teile (z.B. schwarz verkohlte Widerstände) entdeckt wurden, konnte ich guten Gewissens das Radio einschalten. Das Radio funktionierte auf allen Wellenbereichen. Empfindlicher Empfang, trennscharf, kein Brummen, keine Verzerrungen. Da fiel mir natürlich ein Stein vom Herzen, denn ohne Schaltbild wäre eine weitere Fehlersuche bei dieser ungewöhnlichen Röhrenbestückung schwierig geworden.

Das Magische Auge war natürlich verbraucht: Es ist eine EM34 und sie leuchtet leider nur noch schwach. Das war zu erwarten, denn diese Magischen Augen besitzen meistens eine verbrauchte Leuchtschicht. Vielleicht kann ich ihr Leben noch ein bisschen verlängern, wenn Sie eine höhere Anodenspannung erhält. Diese muss laut Datenblatt allerdings noch zulässig sein. Für wenig Geld habe ich mir nun eine russiche 6E5C bestellt. Bevor diese gegen die EM34 ausgetauscht wird, muss die Verdrahtung angepasst werden. Eine Umbauanleitung ist unter http://www.radiomuseum.org … ersatz_der_em34 …. 6e5c_6e5s.html zu finden.

Keine Panik vor dem Verlegen von Skalenseilen: Ein Skalenseil war gerissen. Ich habe es durch Maurerschnur ersetzt. Maurerschnur ist kostengünstig, besteht aus Polyamid, ist flexibel, ist nicht elastisch und sehr zugfest. Mit einer Dicke von etwa 1 mm ist es ideal als Skalenseil zu verwenden. Ich konnte es mit den Händen nicht zerreißen. Die Feuerzeugprobe zeigte, dass es in der Flamme schmilzt, was für Polyamid typisch ist. Wie man mit Skalenseilen umgeht und sie verlegt werden, ist unter http://www.oldradioworld.de/skalenseile.htm beschrieben.

Skalenseilführung des Luxor Sopran 797W: Sie ist von mir skizziert und unter Skalenseilfuehrung Luxor Sopran 797W.pdf als PDF-Datei abgelegt. Es sind vier verschiedene Skalenseile zu verlegen. Die nummerierten Pfeile geben die Vorgehensweise an. Das Seil am "Anfang" befestigen und dann in Pfeilrichtung den aufsteigenden Nummern folgen. Sollte ein Seil man entzwei gehen, tritt mit dieser Anleitung keine Panik mehr auf. Außerdem verdeutlicht weiter unten ein Video die Mechanik des Radios.

Wellige Rückwand: Sie wurde für ein paar Wochen zwischen zwei Brettern mit Schraubzwingen gepresst, damit sie wieder gerade wird.

Gehäuse mit einer Schellackpolitur versehen: Auf Grund der vielen Risse, des abgeblätterten Lacks und vieler Kratzer, habe ich mich entschlossen den ganzen Lack auf der Oberseite und an den Seitenflächen abzuschleifen. Ob ich den Lack auch auf der Vorderseite abschleifen muss, oder ein Anschleifen reicht, wird sich noch zeigen. Behandelt wird das Gehäuse mit Schellack (Anleitung für die Schellackpolitur hier).

Nachfolgend die kommentierten Bilder:


Vorderansicht.


Andere Perspektive.


Im Gerät muss allerhand interessantes Getier das Interesse der Katze wecken. Was sie aus den Gerüchen herauslesen kann, bleibt uns Menschen verschlossen und damit auch ein Teil der Geschichte dieses Radios.


Rückseite, Rückwand.


Röhrenbestückung, Übersichtsplan des Chassis.


Anblick nach dem ersten Öffnen. Einfach ekelhaft der Staub und der ganze Dreck.


Dicke Staubschicht.


Spinnweben.


Stark beschädigter Lack, tiefe Kratzer auf der Oberseite.


Noch mehr Spinnweben  und  Staub.


Befestigung des Magischen Auges.


Befestigung einer Skalenlampe, Lautsprecher.


Gehäuse ohne Chassis.


Defekter Drehknopf. Mit einem Abguß der intakten Hälfte wird man ihn vielleicht wieder restaurieren.


Knöpfe abgeschraubt. Das Skalenglas und die beiden Halterungen dafür wurden auch entfernt.


Die Zeiger in der Nahaufnahme.


Vor dem Ausbau des Chassis muss der Zeiger für LMK (links) von innen abgeschraubt werden.


Abgeschraubte Halterung des Skalenglases. Die Köpfe der Messingschrauben habe ich übrigens mit der Polierscheibe auf Hochglanz poliert.


Skalenglashalterung von innen.


Das ausgebaute Skalenglas. Auf der Vorderseite ist unten ein dicker Strich (gelb) aufgedruckt, damit der Hörer seine Sender mit dem Bleistift markieren kann.


Die Beschritung für die Bedienung der Drehknöpfe befindet sich auf einer dicken Kunststofffolie aufgedruckt. Bedruckung auf der Innenseite in goldener Farbe. Die "abstehenden" Ohren können mit der Wärme einer 60-Watt-Glühbirne wieder gerichtet werden.


Die demontierten Drehknöpfe vor der Reinigung mit Zahnersatzreinigungsmittel.


Die Oberseite wurde zur Probe geschliffen. Der Schaden ist größer als erwartet. Der Lack besteht aus Kunstharz oder Nitrolack.


Ich kaufte mir eine Schellacklösung, 24% in Alkohol.


Eine erste Behandlung mit Schellack zur Probe sieht schon vielversprechend aus.


Doch bei richtiger Beleuchtung zeigen sich die beschädigten Stellen. Es hilft nichts. Der ganze Lack muss abgeschliffen werden, und dann muss nach Vorschrift Schicht für Schicht die Schellackpolitur aufgetragen werden. Doch vorher will ich wissen, ob das Radio zum Spielen gebracht werden kann.


Die Zierblende aus massivem Messing war mit starker Patina überzogen. Die Blende kann mit einem Schraubenzieher nach vorne herausgehebelt werden und ist mit drei dicken Drähten im Holz befestigt.


Rückseite der Blende.


Polieraufsatz für die Bohrmaschine. Ein blauer Polierblock ist für alle Materialen geeignet. Ein brauner Polierblock ist für Buntmetalle, Alu und Kunststoffe geeignet.


Der polierte Ring. Die Nachbehandlung erfolgt noch mit dem braunen Polierblock und Autolackreiniger. Dann kommt ein Klarsichtlack als Schutz auf die Oberfläche. Leider habe ich kein spezielles Messingreinigungsmittel. Ein altes Hausmittel wäre eine Pampe aus Mehl und Essigessenz.


Nachbehandlung der Messingblende mit Essigsäureessenz und Autolackreiniger. Fast schon perfekt. Die Frage ist, ob der Ring von Anfang an so geglänzt hat.


Das mit dem Pinsel entstaubte Chassis.


Chassis von unten, Verdrahtungsseite.


Unten ein Schiebeschalter, der über einen Seilzug mit dem Wellenschalter verbunden ist. Welch ein Aufwand.


Komplizierte Führung der Skalenseile.


Teilansicht des Chassis nach der Reinigung mit Glasreiniger.


Netzteilelkos: Der hintere ist das Original. Die Anschlüsse der beiden Pluspole für den Lade- und Siebelko waren wegkorrodiert und haben sich gelöst. Der vordere wurde von einem Vorgänger als Ladeelko nachträglich eingebaut. Er war noch in Ordnung und konnte an anderer Stelle eingesetzt werden.


Links der defekte Elkos 2 x 50 uF, rechts der Ersatz. Der Ladelko an der EZ80 darf maximal nur 50uF groß sein. Deshalb wurden 2 x 100 uF / 250 V in Serie geschaltet. Damit sich die Spannungen gleichmäßig verteilen, wurden noch 2 x 470 kOhm parallel zu den beiden Elkos geschaltet. Ich hatte als Ersatz nichts anderes auf Lager. Der Siebelko ist jetzt 150 uF groß.


Der eingebaute Ersatz für den Lade- und Siebelko.


Auch dieser Elko war defekt und hatte keine Kapazität mehr.


Die ausgetauschten Bauteile: Links die Elkos des Netzteils, rechts Koppel- und Gegenkopplungskondensatoreren an der EL84, rechts unten eine Skalenlampe 6,3 Volt / 300 mA. Hier nicht aufgeführt ist das Magische Auge vom Typ EM34, welche noch ersetzt wird.


Komplizierte Mechanik. Der UKW-Tuner sitzt hinten, also rechts im Bild. Sein Drehko wird über eine Achse verstellt.


Teilansicht der Seilführung. Neues Skalenseil (rot). Hier noch ein stabiler Faden aus der Nähkiste. Inzwischen kam Maurerschnur aus Polyamid (schmilzt bei Feuerzeugprobe) zum Einsatz, was sich auch bei anderen Restauratoren bewährt hat. Die Skalenseilführung werde ich noch skizzieren und veröffentlichen. Wie man Skalenseile auflegt, ist unter http://www.oldradioworld.de/skalenseile.htm beschrieben.


Der Netzschalter.


Eine der Ebenen des Wellenschalters. Die erste Reinigung erfolgte mit Elektronikreinigungsspray. Dann eine Nachbehandlung mit ölhaltigem Tunerspray.


Das mit Glasreiniger gereinigte Chassis von oben (Hochauflösende Großansicht hier).


Video über die Mechanik des Luxor Sopran 797W.


Unteransicht des Chassis mit neuen Netzteilelkos (Hochauflösende Großansicht hier).

Hier geht es zum 2. Teil der Restaurierung.