Experimentelle Notstromeinspeisung in die Hausinstallation

26. September 2022 (aktualisiert am 27.9.2022 um 21:45)

Zu experimentellen Zwecken habe ich einen einphasigen Wechselrichter mit einer maximalen Leistung von 1500 Watt in die dreiphasige Hausinstallation eines schwedischen Einfamilienhauses eingespeist, um zu erfahren, ob sich der Aufwand für eine korrekte Installation überhaupt lohnen kann.

WARNHINWEIS: Ich muss dringend darauf hinweisen meinen Versuch keinesfalls nachzumachen, da jede Hausinstallation anders ist. Es besteht Brandgefahr und die Gefahr für Leib und Leben durch einen elektrischen Schlag, wenn ein Fehler eintritt und wenn man seine Hausinstallation nicht genau kennt. Deshalb rate ich dringend davon ab. Die hier gezeigte Vorgehensweise ist keinesfalls als Anleitung zu verstehen. Sie dient nur zu Aufklärungszwecken.

Zum Einsatz kam ein an einer Solarbatterie betriebener 1500 Watt starker Wechselrichter, welcher einen echten Sinus liefert. Nicht alle angeschlossenen Verbraucher sind für einen modifizierten Sinus geeignet. Falls Mitbewohner während des Experiments anwesend sind, müssen sie darüber unterrichtet sein und vorher eingewiesen werden. Kinder müssen unter permanenter Aufsicht stehen.


Video von Proofwood. So müsste man einen einphasigen Notstrom korrekt in die Hausinstallation einspeisen. Für ein paar längere Stromausfälle, die alle paar Jahre vorkommen, wäre das für meinen Bedarf ein ziemlicher Aufwand.

In den langen und dunklen Winternächten kann ein Stromausfall in Schweden das gewohnte Leben lahmlegen. Schnell hat man genug vom romantischen Kerzenschein. Notstrom für viel ausreichendes Licht wäre dann ein Segen. Zum Glück gibt es LED-Lampen die viel Licht bei wenig Leistung bieten.

Ausgangssituation: Bei meiner Hausinstallation handelt es sich übrigens um ein TN-C-S-Netz ( Erklärung unter https://youtu.be/pfBbaj9WcBM ).  Neutralleiter (N) und Schutzleiter (PE) sind also verbunden. Ich konnte auch feststellen, dass der Schutzleiter elektrisch leitend mit den Wasserleitungen und den Heizkörpern verbunden ist.

Weiterhin haben viele Steckdosen im Wohnbereich die schwedische Eigenart keinen Schutzleiter zu besitzen. Die Anlage stammt aus den frühen 1970er  Jahren und damals war das in Schweden so üblich. Über diese Steckdosen lassen sich auch Geräte mit Schutzleiter betreiben, was auch gemacht wird. Das elektrisch leitende Gehäuse ist dann nicht mit den Schutzleiter verbunden, was ein Sicherheitsrisiko darstellt. Kaum einer stört sich daran in Schweden. Dafür haben diese Steckdosen eine Kindersicherung, damit von Kinderhand keine Stricknadeln in die Kontakte gesteckt werden können. Andere Länder haben eine andere Vorstellung von  Sicherheit. Die Badezimmer sind mit FI-Schaltern nachgerüstet. Der Herd ist einphasig angeschlossen.

Herausgedrehte Hauptsicherungen eines schwedischen Einfamilienhauses aus den 1970er Jahren, abgesichert mit 3 x 20 Ampere. So bin ich ganz sicher, dass das Haus stromlos und vom Netz getrennt ist.
Schwedische Wandsteckdose im Wohnbereich. Der Schutzleiterkontakt fehlt. Dafür gibt es eine Kindersicherung, die das Einstecken der Stecker erschwert. Stecker mit Schutzkontakten lassen sich auch einstecken. Der Schutzleiter hat dann keine Verbindung.

Vorgehensweise: Als erstes ist die Hausinstallation vollständig vom Netz zu trennen. Dazu zuerst den Kippschalter am Sicherungskasten umlegen, dann den Hauptschalter am Zähler umlegen. Erst jetzt sind die drei Hauptsicherungen (Schmelzsicherungen) herauszudrehen. In Schweden fliegen die Hauptsicherungen der Einfamilienhäuser regelmäßig heraus und den Ersatz gibt es im Dorfladen um die Ecke. Jeder macht das selber. Die notwendigen Sicherungen hält man immer vorrätig, damit in einer verschneiten Winternacht bei -20 °C schnell wieder die Heizung auf Hochtouren laufen kann.

Nicht vergessen: Vor dem Einspeisen des einphasigen Notstroms sind die Drehstromverbraucher vollständig vom Netz zu trennen. Hier ist der Hauptschalter für die Wärmepumpe zu sehen. Links im Bild ist übrigens die Umwälzpumpe der Zentralheizung zu sehen. Sie lässt sich vom Netz trennen und separat mit Notstrom betreiben, damit an besonders frostigen Tagen die Heizungsrohre nicht einfrieren können.

Hat man sich vergewissert, dass die Hausinstallation spannungslos ist und alle drei Phasen vom Netz getrennt sind, müssen die drei Phasen der Hausinstallation zusammen geschaltet werden. In der Garage ist ein 16-Ampere-Drehstromanschluss. Also habe ich einen entsprechenden Drehstromstecker genommen und in ihm die drei Phasen mit Hilfe von zwei Drahtbrücken verbunden. Ein solcher Stecker ist im praktischen Betrieb selbstverständlich fatal, wenn man vorher vergisst das Hausinstallation vollständig vom Netz zu trennen. Also bitte keinesfalls nachmachen.

Strengstens verboten! Dieser manipulierte Drehstromstecker führt die drei Phasen zusammen. Sollten beim Einstecken die drei Phasen noch unter Netzspannung stehen, entstehen erhebliche Schäden. Zwischen den einzelnen Phasen liegen 400 Volt an.
Strengstens verboten! Zwei Drahtbrücken verbinden im Drehstromstecker die drei Phasen. Der Stecker darf nicht in falsche Hände kommen.

Vor der Einspeisung des Notstrom darf man keinesfalls vergessen den dreiphasigen  Trennschalter für die Wärmepumpe umzulegen. Vergisst man dies, könnte der Kompressor beschädigt werden, wenn eine Schutzschaltung fehlt oder defekt ist. Das wird dann richtig teuer. Man kann also sehr viel falsch machen, weshalb ich nochmals dringend davon abrate.

Hat man sich nun vergewissert, dass alle Drehstromverbraucher und das Netz vom E-Werk getrennt sind, kann man den Wechselrichter einphasig einspeisen. Dabei war es gut zu wissen, dass sich der Wechselrichter bei Ausgangsströmen von über 6,5 Ampere sofort abschaltet. An keiner Stelle können also Leitungen überlastet werden. Das Gehäuse des Wechselrichters ist zur Sicherheit zu erden.

Da es sich um einen experimentellen Aufbau handelt, habe ich für die Einspeisung des Notstroms vom Wechselrichter in die Hausinstallation verbotswidrig ein Kabel genommen, das an seinen beiden Enden einen Netzstecker besitzt. Auch das ist natürlich im normalen Betrieb strengstens verboten. Dieses Kabel steckt man dann zuerst in die stromlose Wandsteckdose und dann in den Wechselrichter. Die Wandsteckdose muss einen Schutzleiter anbieten, damit dann auch das Gehäuse des Wechselrichters mit dem Schutzleiter verbunden ist. Damit nichts passiert, habe ich empfindliche elektronische Geräte vorher vom Netz getrennt. Die Telefonleitung ist eventuell vom Modem zu trennen.

Ebenfalls strengstens verboten! Ein Kabel mit zwei Netzsteckern an seinen beiden Enden, um den Strom vom Wechselrichter in das Hausnetz einzuspeisen.
Ebenfalls strengstens verboten! Einspeisung in eine Wandsteckdose.  Die Batteriekabel können außerdem sehr warm werden. Bei einem Kurzschluss der Batteriepole besteht Brandgefahr. Kein Betrieb ohne Aufsicht. Auf jeden Fall habe ich eine Steckdose mit Schutzkontakt gewählt, damit das Gehäuse des Wechselrichters mit dem Schutzleiter verbunden ist. Zum Zeitpunkt der Aufnahme gibt der Wechselrichter 360 mA ab. Das entspricht 83 Watt, die im Moment der Aufnahme das Haus verbraucht. Da noch viele unnötige Verbraucher im Betrieb sind, erschöpft sich die Batterie schneller als erwartet. Im Notbetrieb dürfen zum Beispiel die Kühlgeräte für ein paar Stunden ausgeschaltet sein, da sich diese Geräte einige Zeit kalt bleiben.
Vorderansicht des Wechselrichters, der einen reinen Sinus liefert. Die Schutzleiterkontakte der Steckdosen sind mit dem Gehäuse verbunden.

Das Einschalten des Wechselrichters: Und dann kam der spannende Moment. Der Wechselrichter für einen echten Sinus ist an einer 12 Volt-Bleibatterie mit einer Kapazität von 80 Ah angeschlossen. Ich schaltete den Wechselrichter ein. Seine Spannung fährt sanft hoch. Der Gefrierschrank und der alte Kühlschrank laufen. Ich kann überall im Haus das Licht einschalten. Nach dem Einschalten eines alten Röhrenradios war störungsfreier UKW-Empfang zu hören. Die Geschirrspülmaschine ließ ich für drei Minuten im Spülgang laufen. Dabei schaltete das Spülprogramm den Heizstab nicht ein. Auch das funktionierte problemlos.

Im Badezimmer lässt sich der Ventilator einschalten. Die FI-Schalter funktionieren ebenfalls und lassen sich mit ihrem blauen Knopf auslösen. Im ersten Moment würde eine nicht eingeweihte Person nichts von dem Notstrombetrieb bemerken. Ich habe allerdings davon abgesehen stromintensive Verbraucher wie den Herd, die Kaffeemaschine, Wasserkocher, Mikrowellenherde, die elektrische Fußbodenheizung und so weiter einzuschalten. Der Wäschetrockner,  die Waschmaschine, die stromfressende Sauna und die ebenso stromfressende Infrarotheizung auf der Veranda waren auch Tabu. Eigentlich blieb nur die Beleuchtung übrig, aber nur wenige Lampen gleichzeitig. Was soll dann der ganze Aufwand, fing ich an mich zu fragen.

Das jähe Ende des Experiments: Nach etwa einer Stunde viel unvermittelt der Strom aus. Was war geschehen? Die Batterie war schwach geworden. Als sich der alte Kühlschrank einschaltete, war der Einschaltstrom für die schwache Batterie zu hoch und der Wechselrichter schaltete sich ab. Nach dem  Abschalten des alten Kühlschranks hatte ich wieder Licht. Aber befriedigend ist das nicht.

Fazit: Ein großer Nachteil der Notstromeinspeisung ist, dass die Bewohner nicht erkennen können, wann der Stromausfall vorbei ist. Eine automatische Aufladung der Batterien ist auch nicht möglich. In meinem Fall lohnt sich die Einspeisung des Notstroms in die Hausinstallation auch deshalb nicht. Für die wenige Lampen im Notstrombetrieb kann ich ein paar griffbereite Verlängerungskabel verlegen.  Da für die Notstromversorgung alles vorbereitet ist, dauert dies nur wenige Minuten. Die begrenzte Batteriekapazität reicht eh nur für eine Notbeleuchtung. Wir arbeiten übrigens nur noch mit Laptops, die Akkus besitzen. Dadurch bleibt Zeit die Computer herunterzufahren. Meine pragmatische und bewährte Lösung, die ich eingeübt habe, ist hier beschrieben:

Kleine unterbrechungsfreie Notstromversorgung für die Beleuchtung
Meine unterbrechungsfreie Notstromversorgung – 23. September 2022: Da wir bei bevorstehenden Stromausfällen uns nicht auf Dauer mit Taschenlampen und Kerzenschein begnügen wollen, kommt eine provisorische Notstromversorgung zum Einsatz, die im Falle eines Falles schnell einsatzbereit ist. Der Stromausfall kommt ohne Vorwarnung und immer dann, wenn niemand damit rechnet. weiter

Schließlich geht es mir nur darum, während eines Stromausfalls in einigen Räumen ausreichend Licht vorfinden zu können. Von der Wahrscheinlichkeit her ist mit Stromausfällen von einigen Stunden zu rechnen. Sollte es tatsächlich zu einem tagelangen Black Out kommen und die Welt in einem dystopischen und gesetzlosen Chaos versinken, habe ich immer noch die Option für eine Notstromeinspeisung ins Hausnetz.

Man muss sich auch vorstellen, dass eine behelfsmäßige Notstromeinspeisung wahrscheinlich im Dunkeln in einer Stresssituation stattfinden würde. Dabei können einem gravierende Fehler unterlaufen, die man sich in einer Notsituation nicht leisten kann. Also Finger weg von diesem Gedanken.

Energetische Betrachtung: Für einen tagelangen Stromausfall sind wir so eingerichtet, dass wir mit möglichst wenig Strom auskommen. Geheizt wird mit Holz und für die Zubereitung der Mahlzeiten dienen ein Sturmkocher mit Brennspiritus und ein Holzkohlegrill. Die Energiedichte von Holz, Holzkohle und fossilen Brennstoffen ist um Größenordnungen höher als die einer schweren Batterie, die auch noch umgerechnet auf die Energiespeicherkapazität sehr teuer ist. Der skandinavische Winter ist zudem dunkel. Eine Solaranlage liefert dann nicht genügend Strom. Als Alternative käme dann nur ein Notstromgenerator in Betracht, der dann wiederum Diesel oder Benzin benötigt. Da ein Notstromgenerator einen Wirkungsgrad von etwa geschätzte 30 bis 40% besitzt, wird über die Hälfte der Energie, die zum Kochen benötigt wird, durch die Abwärme des Kolbenmotors vergeudet. Wenn der Notstromgenerator nur bei geringer Last laufen muss, um zum Beispiel eine einzige 5 Watt starke LED-Lampe zu betreiben, ist der Wirkungsgrad noch schlechter.