Selbstbau einer Transistor-Sprechkapsel als Ersatz für ein Kohlegrieß-Mikrofon

10.11.2019

Kohlegrießmikrofone kamen noch bis in die 1970er-Jahre in Telefonen zum Einsatz. Konstruktions- und alterungsbedingt liefert ihr zum Prinzip erhobener Wackelkontakt der Kohlekörnchen eine nur mäßige Tonqualität. Oft lässt sich ein Ersatz mit Kondensatormikrofonen und der dazu notwendigen Verstärkerelektronik aus Platzgründen nur im Selbstbau verwirklichen.

Angeregt durch folgende Beschreibungen und das Schaltbild auf

– http://www.vmarsmanuals … Mic_Replacement.pdf
– https://www.wumpus-gollum-forum … 73&thread=14

und Elektor, englische Ausgabe, Jahrgang 1994, Heft 12, Seite Seite 94, mit Layout:

https://www.americanradiohistory.com/Elektor.htm
https://www.americanradiohistory.com … 1994-12 … 0094.pdf

entschloss ich mich zum Nachbau der Transistorsprechkapsel nach einem Artikel von Colin Guy, G4DDI.

Transistorsprechkapsel mit einem Kondensatormikrofon im Eigenbau nach einer Schaltung von G4DDI.

Nahaufnahme der Verdrahtung.

Rückseite der Platine.

Im Internet gibt es zahlreiche Angebote von industriell hergestellten Transistorsprechkapseln, die meistens als Ersatz in den Telefonen FeTAp 611 612 613 751 752 791 792 und so weiter vorgesehen sind und nur eingesteckt werden müssen. Allerdings passen sie nicht oder nur nach Umbauten in andere Telefone. Deshalb ist ein Selbstbau interessant.

Für die schwedischen Telefone DIALOG kommen wegen der beengten Platzverhältnisse in der Sprechmuschel nur selbst gebaute Transistorsprechkapseln in Betracht.

Laut einem Mitglied des Wumpus-Gollum-Forum wurde diese Sprechkapsel-Schaltung erfolgreich mit einer Fritzbox in einem W49/W48 getestet. Die Sprachverständlichkeit ist sehr gut und wesentlich besser als bei einem Kohlegrießmikrofon. Der Lautstärke ist vielleicht eine Idee zu hoch und der Frequenzumfang ist eventuell eine Idee zu klein. Der Hall, der in der Sprechmuschel entsteht, lässt sich durch schallschluckende Materialien wie Wolle, Papier oder Gummi beseitigen.

Die gleichen Erfahrungen hatte ich im schwedischen Telefon DIALOG gesammelt. Hinzu komt noch, dass die Rückhördämpfung besser sein könnte. Alles in allem war dieses Projekt ein voller Erfolg. Beim schwedischen Telefon DIALOG sind manche Sprechkapsel zu leise und ein Ersatz ist nicht zu beschaffen.

Der Nachbau der Schaltung erfolgte auf einer passgenau kreisrund zugesägten Lochrasterplatte, auf der mit bedrahteten Bauteilen dicht gedrängt die Schaltung realisiert wurde. Als Transistoren verwendete ich die Typen 2N2222 und 2N2907.

Transistorsprechkapsel in die Sprechmuschel eingesetzt.

Der Fetzen eines alten Wollsocken dient als Schalldämmung, um Atemgeräusche und den Hall in der Sprechmuschel zu unterbinden.

Anpassung der Frequenz und des Mikrofonpegels für das Telefon DIALOG: Folgende Änderungen an der Schaltung habe ich bei mir nach einigen Experimenten nachträglich vorgenommen. Die Wertangaben sind nicht besonders kritisch und individuell anzupassen.

 

1. Widerstand R1 auf 650 Ohm herabgesetzt, da der Audio-Pegel zu hoch war. Die Eigensprechdämpfung ist jetzt in Ordnung. Geringe Verzerrungen durch Übersteuern treten nur noch auf, wenn man laut und direkt in die Sprechmuschel spricht. Laut Oszilloskop liegt nach dem Bild der Begrenzung der Arbeitspunkt in der Mitte. Sehr schön. Maximaler Ausgangspegel etwa 2 Volt von Spitze zu Spitze gegen Masse gemessen. Das Telefon war während der Messung mit einer Fritzbox verbunden.

 

2. Koppelkondensator C1 / 33 nF am Kondensatormikrofon auf etwa 47 bis 100 nF erhöht. Dadurch kommen die Tiefen etwas besser durch. Bei 300 nF für C1 klingt es für manche Ohren zu dumpf.

 

3. Der Kondensator C3 entfällt. C4 wurde auf 100 pF verkleinert oder er kann ganz entfallen. Dadurch werden die Höhen nicht mehr so stark beschnitten.

 

4. Für C5 reicht ein Elko von 22 µF / 10 Volt bei mir auf jeden Fall aus. Dies spart Platz.

 

5. D1 und D2 könnten durch normale Dioden ersetzt werden, da im Telefon Dialog an der Transistorsprechkapsel nur 6 bis 7 Volt Gleichspannung abfallen, wenn das Telefon mit einer FritzBox verbunden ist.

 

6. Für T1 und T3 kam der npn-Typ 2N2222 und für T2 der pnp-Typ 2N2907 zum Einsatz, weil sie zur Hand waren und unglaublich kostengünstig sind. Es müssten bei meinen vorliegenden Spannungsverhältnissen alle Silizium-Kleinleistungstransistoren funktionieren. Für T3 hatte ich auch den 2SC1364 verwendet.

 

7. C6 wurde mit 68nF belassen, 100 nF gehen auch. Der Wert ist unkritisch. Entfernt man C6, können Verzerrungen durch Rückkopplungen auftreten, wenn man das Spiralkabel mit der Hand umfasst.

Durch diese Maßnahmen an den frequenzbestimmenden Bauteilen klingt die Stimme nach meinem Empfinden jetzt natürlicher und ist von einem DECT-Telefon kaum mehr zu unterscheiden. Der Frequenzgang wird jetzt hauptsächlich von dem Übertragungsweg bestimmt. Der Klangeindruck hängt auch von dem jeweiligen Telefon ab, in welchem die Transistorsprechkapsel zum Einsatz kommt. Die Anpassungen wurden für das schwedische Telefon Dialog an einer FritzBox vorgenommen. Im Telefon Dialog fließen durch diese Sprechkapsel 20 mA und es fallen etwa 7 Volt an ihr ab.
Das soll nur ein Beispiel sein, um zu sehen, wie die Schaltung nach den eigenen Vorlieben und Begebenheiten anpassbar ist.
In meinem eigenen Asterisk-SIP-Server habe ich eine Nummer eingerichtet, mit der ich meine eigene Stimme abhören kann, die nach 30 Sekunden wiedergegeben wird. Parallel zum Wählscheibentelefon ist noch ein DECT-Telefon geschaltet. Sobald ich meine eigene Stimme höre, hebe ich das DECT-Telefon ab und das Wählscheibentelefon auf. Dann erhalte ich einen Eindruck davon, wie die Wiedergabe der Transistorsprechkapsel in einem modernen Telefon klingt.

 

Leiterplattenentwurf: Dieser befindet sich im Original-Artikel „Electret Microphone For Telephone Mouthpiece“ Elektor Electronics Dec 94, Seite 94 ( https://www.americanradiohistory.com/Elektor.htm ).
Die Platine hat einen von mir gewählten Durchmesser von knapp 36 mm und wurde nach der Bügeleisenmethode hergestellt. An einigen Stellen musste mit einem Edding 3000 Stift ausgebessert werden. Als Papier kam dünnes Katalogpapier zum Einsatz. Geätzt mit einer 3 Jahren alten Eisen(II)chloridlösung, die ich in der Mikrowelle erwärmte. Die kreisrunde Form gelang mit einer Blechschere und einer Feile. Basismaterial ist Epoxid. Für die Bildbearbeitung kam IrfanView zum Einsatz, da der Screenshot aus der PDF gespiegelt werden muss und die Größe anzupassen ist.
Den Durchmesser kann man in bestimmten Grenzen selbst bestimmen, da nur bedrahtete Bauteile zum Einsatz kommen. Die Bestückung wird noch eine interessante Arbeit.

 

Platine der Transistorsprechkapsel.

 

die Platine wurde bestückt und funktioniert einwandfrei. Allerdings blieb mir eine Fehlersuche nicht erspart. Drei kalte Lötstellen am T3, für den ein gebrauchter 2SC1364 zum Einsatz kam, weil er von den Werten und wegen der Pin-Belegung geeignet ist. Und vor allen Dingen, weil er in der Schrottkiste bei mir vorhanden war. Dann war noch eine Leiterbahnunterbrechung. Für C1 und C6 kamen dieses Mal 100 nF zum Einsatz. Für D1 und D2 wählte ich 15-Volt-Z-Dioden, weil ich sie massenweise habe. D3 und D4 waren mal in einer Wundertüte. Den Typ konnte ich nicht bestimmen. Sie halten aber mindestens 250 Volt Sperrspannung und 1 A aus. Also rein damit. Für C4 wählte ich 100 pF, für C2 33 pF. C3 entfiel.

 

Bestückte Platine der Transistorsprechkapsel.

 

Die Platine sollte man so groß wie möglich wählen, um den Ärger mit Leiterbahnunterbrechungen und Zinnbrücken zu minimieren. Für das Telefon Ericsson Dialog durfte der Durchmesser 36 mm leider nicht überschreiten. Mit den Anpassungen für das Telefon Dialog ist die Klanqualität einwandfrei und viel besser als bei einem Kohlemikrofon.