Gehäuse alter Röhren-Radios restaurieren

Nachfolgend möchte ich am Beispiel einiger Röhrenradios beschreiben, wie man mit einfachen Haushaltsmitteln, die fast überall problemlos erhältlich sind, die Holzgehäuse alter „Dampfradios“ wieder aufarbeiten kann, wenn diese keine zu großen Schäden besitzen. Anleitungen, wie man Gehäuse perfekt restauriert, gibt es bereits in großer Zahl im Internet. Hier will ich eine einfache Methode mit leicht erhältlichen Mitteln beschreiben. Vorsichtige probieren die hier beschriebenen Verfahren an einer kleinen Stelle aus. Jedes Material und jeder Lack kann sich anders verhalten. 

Bakelit-Gehäuse: In einem anderen Beitrag habe die Restauration von Bakelit-Radios ausführlich in Wort und Bild festgehalten.

Beispiel Braun 555 UKW Baujahr 1955: Dieses Radio ist unter „Braun 555 UKW“ beschrieben. Das einst hochglänzend lackierte Gehäuse machte einen stumpfen Eindruck. Viele Kratzer waren sichtbar und auf der Oberseite entdeckte man Farbreste. Besonders störend ein dicker Kratzer auf der linken Seite. Außerdem war das Holz wesentlich dunkler als im Originalzustand. Die Messingzierleisten waren schwarzbraun angelaufen. Zudem waren die Drehknöpfe verdreckt. Die Lautsprecherbespannung machte einen guten Eindruck. Wahrscheinlich handelt es sich bei der Lackierung um hochglänzenden Polyester- oder Polyurethanlack. Er ist im Gegensatz zum Nitrolack, der in den 1940er Jahren bis Anfang der 1950er Jahren verwendet wurde, glänzender und dicker aufgetragen.


Das restaurierte Gehäuse

Die Reinigungsmittel: Zum Einsatz kommen Autolackreiniger, Essigessenz, Geschirrspülreiniger für die Maschine, Zahnprothesenreiniger, Geschirrspülmittel, Glasreiniger, Möbelpolitur mit Orangenöl, Baumwolltücher, ein Haushaltsschwamm, eine Zahnbürste, eine Plastikschale und jede Menge Küchenpapier. Zudem sollte man einen Rostlöser (Kriechöl) und Uhrmacherschraubenzieher griffbereit haben.

Vorreinigung des Gehäuses: Im ersten Schritt wurde das Gerät abgestaubt und mit einem feuchten Lappen mit etwas Handgeschirrspülmittel abgewaschen. Niemals mit der rauen Seite eines Haushaltsschwamms scheuern. Das gibt nur Kratzer. Beim robusten Polyester- oder Polyurethanlack geht auch Gebissreiniger für die dritten Zähne sehr gut und wirkt besser als Glasreiniger. Glasreiniger kann Nitrolack und vor allen Dingen Schellack anlösen. Bei alten Radios bis in die Mitte der 1950er Jahre sollte kein Glasreiniger an den Lack geraten. Brennspiritus ist grundsätzlich verboten. Ebenso ist Benzin verboten und vor allen Dingen Aceton, das zum Entfernen von Nitrolacken geeignet ist.

Polieren des Gehäuses mit Autolackreiniger: Anschließend brachte ich mit einem Haushaltspapiertuch und Autolackreiniger den ursprünglichen Lack wieder von Hand auf Hochglanz. Dabei wurde im ersten Schritt eine Schmutzschicht abgetragen. Manche Haushaltspapiertücher können kratzen. Deshalb polierte ich den eingetrockneten Lackreiniger mit einem alten Baumwollunterhemd ab. Die Prozedur dauert vielleicht eine halbe Stunde für das gesamte Gehäuse. Nach und nach verschwinden die feinen Kratzer und die größeren werden immer weniger auffallend. An manchen Stellen muss mehrmals Hand angelegt werden. Solche Stellen entdeckt man nur bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen. In den Ritzen bleibt der Lackreiniger leider hängen. Nach dem Trocknen entfernt man ihn mit dem Fingernagel oder vorsichtig mit einer Zahnbürste. Oder man reibt die Oberfläche vorher mit Möbelpolitur ein, damit sich der Lackreiniger nicht in den Kratzern festsetzen kann. Lackreiniger kann Nitrolacke stumpf erscheinen lassen. Deshalb den Lackreiniger immer an einer unsichtbaren Stelle ausprobieren. Schellack wird mit Lackreiniger zerstört.

Es gibt eine Paste für das Polieren von Kunststoffbootskörpern. Damit geht das Polieren schneller, allerdings stellt sich der Hochglanz erst so richtig durch eine Nachbehandlung mit Autolackreiniger ein.

Einlassen der Möbelpolitur: Zum Schluss rieb ich den Lack mit einer Möbelpolitur, die auf Orangenöl basiert, ab, sodass feine Kratzer fast vollständig verschwanden und die gröberen Kratzer, die bis aufs Holz gingen, ebenfalls fast verschwanden, da die Möbelpolitur das Holz nachdunkelt und das Orangenöl den Lack anzulösen scheint. Das Polieren mit Lackreiniger und Möbelpolitur muss an besonders schadhaften Stellen mehrfach wiederholt werden. Das Orangenöl von Pronto würde ich nur noch bei dunklen Hölzern nehmen. Für helle Hölzer wie im kommenden Beispiel halte ich das Pflegemittel Baolin für geeigneter.

Reinigen und Abschrauben der Drehknöpfe: Die Drehknöpfe werden mit Madenschrauben auf den Achsen festgeklemmt. Oft sind sie festgerostet und leicht sind die Maden abgebrochen. Dann wird es schwierig, den Knopf zu lösen. Unter Umständen hilft dann Kältespray. Deshalb werden die Madenschrauben einige Tage vorher mit ganz wenigen Tropfen Rostlöser (Kriechöl, Ballistol, zur Not flüssiger Grillanzünder) beträufelt, bevor man mit einem passenden Uhrmacherschraubenzieher die Madenschrauben vorsichtig löst und die Knöpfe von der Achse zieht. Nach dem Abnehmen der Filzauflauge nutzen wir die Gelegenheit die Frontscheibe mit Glasreiniger zu säubern.

Die Knöpfe werden in einer lauwarmen Lösung aus Wasser und Maschinengeschirrspülreiniger mit der Zahnbürste in einer Plastikschale geschrubbt. Zahnprothesenreiniger ist sogar noch besser. Danach mit klarem Wasser Abspülen. Selbstverständlich nicht über der Spüle, da sonst die Madenschrauben und deren Muttern Gefahr laufen, nach dem Gesetz der Erdanziehung für immer im Ausguss zu verschwinden. Während die Reinigungslösung sich braun verfärbt, bekommen die Knöpfe einen neuwertigen Glanz. Nach dem Trocknen können sie wieder montiert werden.

Messingleisten polieren: Die schwarzbraune Oxidschicht ließ sich mit Lackreiniger nicht entfernen. Deshalb griff ich zu einem Küchenschwamm, den ich mit Essigsäure (25% Konzentration) tränkte. Vorsichtig rieb ich mit der rauen Seite des Schwamms die Leisten ab, so dass die Oxidschicht angelöst wurde und das blanke Messing zum Vorschein kam. Allerdings darf man nicht zu fest reiben, da sonst Kratzer auf dem Messing entstehen, die man dann mühsam mit Lackreiniger herauspolieren muss. Es macht auch nichts, wenn noch schwarze Flecken auf dem Messing übrigbleiben. Die Feinarbeit leistet man im nächsten Schritt mit Lackreiniger. Danach kann man mit Möbelpolitur das benachbarte Holz und die Messingleisten von der Schmiere reinigen. Der gesamte Vorgang dauerte weniger als eine Stunde.

Zeitaufwändig war das Polieren der Leiste, welche sich oberhalb der Senderskala befindet:

Diese Messingleiste hatte Flecken. Mit Essig und der rauen Seite des Schwamms versuchte ich diese Flecken zu beseitigen, wobei allerdings große Flächen blanken Messings zum Vorschein kam. Nun gab es kein Weg zurück und die gesamte Leiste musste poliert werden. Zuerst mit der rauen Seite des in Essig getränkten Schwamms, was zu Kratzern führte, die ich mühsam wieder mit dem Lackreiniger herauspolieren musste. Problematisch waren die Ecken, an die schlecht heranzukommen war. Hier half ein Kugelschreiber, den ich mit einem Tuch umwickelte. Mit einer Mischung aus Essig und Lackreiniger konnte diese Stellen auch blankpoliert werden.

Lackstellen ausbessern: Beim Polieren blätterte der braune Lack an den seitliche Zierleisten an einigen Stellen ab. Mit einem braunen Filzstift konnten die Stellen unter Tupfen wieder repariert werden. Außerdem blätterte an einer Ecke der goldfarbene Lack neben der Zierleiste ab. Die Lacksplitter klebte ich mit UHU fest und polierte die Stelle mehrmals. Es gibt goldfarbene Filzstifte, mit denen ich eine weitere Ausbesserungen probieren möchte.

Ein weiteres Beispiel am Philips B5S81A. Baujahr 1958: Die Restaurierung dieses Radios ist unter „Philips B5S81A beschrieben. Den Lack habe ich mit Autolackreiniger und Baolin aufpoliert. Der Lack ist jetzt hochglänzend geworden, wie er vielleicht einst mal war. Wahrscheinlich handelt es sich vom Glanz und der Schichtdicke nach um Polyester- oder Polyurethanlack, wie er ab Mitte der 1950er Jahre für eine hochglänzende Beschichtung eingesetzt wurde. Der ältere Nitrolack ist mit einer dünneren Beschichtung aufgetragen worden und ist etwas seidiger im Glanz. Schellack würde man mit Autolackreiniger beschädigen. Er wird dann matt. Schellack wird mit Schellack und etwas Paraffin als Polieröl mit dem Ballen aufpoliert.


Radio beim Kauf.


Linke Seite nach der Lackreiniger-Behandlung.


Vor der Behandlung. Die Kratzer und Risse, die hier noch nicht enfternt worden sind, wurden später fast unsichtbar. Zuvor wurde der Lack mit Gebissreiniger gereinigt. Dadurch dunkelten die Kratzer nach und quollen etwas auf. Danach wurde die Oberfläche mit dem Möbelpflegemittel Baolin behandelt und die Kratzer waren fast nicht mehr zu erkennen. Zum Schluss wurde mit Autolackreiniger auf Hochglanz poliert und dann nochmal mit Baolin eingerieben.


Rechte Seite nach der Lackreinigerbehandlung.


Vorderansicht nach der Lackreinigerbehandlung.

Beim Aufpolieren von Polyester- oder Polyurethanlacken hat sich nun folgende Methode bei mir entwickelt, wodurch auch kleine Kratzer, die bis auf das Fournier durchgehen, kaschiert werden können beziehungsweise weniger auffallen:

1. Grundreinigung mit einer Zahnprothesenreinigerlösung (wirkt besser als Glasreinger, Wattestäbchen für die Ecken nehmen)

2. Einreiben mit dem Möbelpflegemittel Baolin (verhindert, dass sich später der weiße Lackreinger in den Kratzern festsetzt und reinigt nochmals. Ränder von Blumenvasen verschwinden)

3. Polieren mit Autolackreiniger (Cleaner, also die feinkörnigste Variante des Schleifmittels)

4. Einreiben mit Baolin (gibt noch mehr Glanz, versiegelt feine Kratzer mit Wachs oder Paraffin)

Zum Reinigen und Polieren kam weiches Küchenpapier zum Einsatz. Es verfärbt sich dann braun. Die nachfolgenden Bilder zeigen das Ergebnis. Durch das Blitzlicht treten die noch vorhandenen Kratzer stärker hervor, als sie in Wirklichkeit zu sehen wären.


Drei Mittel reichen für die Reinigung und das Polieren von verschmutzten und leicht zerkratzten Radiogehäusen, welche mit Polyesester- oder Polyurethanlack beschichtet sind, aus. Von links nach rechts: Grundreinigung mit Zahnprothesenreiniger, danach mit Baolin einölen, um die Kratzer zu verschließen, dann mit sanftem Autolackreiniger auf Hochglanz polieren und zum Schluss wieder mit Baolin die Endbehandlung vornehmen. Zum Wischen, Putzen und Polieren reichen Toilettenpapier und Wattestäbchen.


Eine Tablette Zahnprothesenreiniger in Wasser aufgelöst reicht für die Reinigung des gesamten Radios.


Die Tasten erinnern an ein Gebiss und wurden erfolgreich mit Gebissreiniger gereinigt, wobei die „Zahnzwischenräume“ mit einem Plastikstreifen und einem Stoffläppchen erreicht werden können.


Wattestäbchen und Haushaltspapier wurden mit Gebissreiniger getränkt, um dem Holzgehäuse eine Grundreinigung zu gönnen. Die braunen Verfärbungen kommen wahrscheinlich von einer Schicht aus Tabakrauch.

Reinigung des Skalenglases: Nur von außen mit Glasreiniger. Die empfindliche, bedruckte Innenseite niemals reinigen oder berühren.


Das Skalenglas bei Nacht.

Reinigung des Lautsprechergitters: Dieses Gitter besteht aus einem mit Kunststoff überzogenem Drahtgeflecht. Der Fliegenkot konnte leicht mit einem Wattestäbchen, das mit Gebissreiniger getränkt war, entfernt werden. Glasreiniger war hier nicht so wirksam.


Lautsprechergitter: Mit Wattestäbchen und Gebissreiniger konnte der Fliegendreck gezielt entfernt werden. Gebissreiniger wirkte hier besser als Glasreiniger.

Reinigung der Bedienelemente: Die Drehknöpfe wurden mit Gebissreiniger und der Zahnbürste behandelt. Die Tasten des Tastensatzes wurden mit einem Läppchen und Wattestäbchen ebenfalls mit Gebissreiniger behandelt.

Reinigung des Netzkabels: Hier kam ebenfalls Gebissreiniger zum Einsatz. Erstaunlich, wie schmutzig Kabel sein können, vor allen Dingen, wenn sie bereits eine braune Grundfarbe besitzen.

Neulackierung mit Schellack: Bei starken Kratzern hilft leider nur eine Neulackierung, wobei die Schellackpolitur eine Methode ist, mit der sich eine hochglänzende Oberfläche quasi auch auf dem Küchentisch erzielen lässt. Die Technik ist ausführlich unter „Schellackpolitur“ und „Luxor Sopran Teil 4“ beschrieben.


Heruntergekommenes Radio (Luxor Sopran 797W) aus den 50er Jahren mit großflächigen Lackschäden und tiefen Kratzern auf dem Furnier. Ob da noch was zu retten ist?


Das Radio ist nach der Schellackpolitur wieder mit seinem Gehäuse vereint. Die gesamten Restaurierungs- und Reparaturarbeiten sind hier in mehreren Kapiteln in Wort und Bild dokumentiert.