AM-Superhet-Empfänger für Mittelwelle mit Quarzfilter und Festinduktivitäten. Kein Spulenwickeln erforderlich.
Nachdem ich bereits einige Rückkopplungsempfänger aufgebaut hatte, kam nun der Wunsch bei mir auf einen Überlagerungsempfänger (Superhet) aufzubauen. Die damit verbundene Mühe des Spulenwickelns hatte mich davon allerdings abgehalten. Eines Tages kam ich auf die Idee, dass es auch ganz ohne Wickeln von Spulen geht. Außerdem sollte der Empfänger in tauglicher Qualität ohne aufwendige Messtechnik nachgebaut werden können.
Wichtig: Die Fortsetzung dieses Projekts ist unter "Verbesserungen am Mittelwellen-Superhet mit Quarzfilter" dokumentiert!
Die Nachteile des klassisch aufgebauten Superhets für den Selbstbau: Der klassisch aufgebaute Überlagerungsempfänger für Mittelwelle arbeitet mit einer ZF von 455 oder 460 kHz. Für eine erfolgreiche Unterdrückung der Spiegelfrequenz muss dann der Vorkreis mitlaufend sein, wozu bei älteren Radios ein Doppeldrehkondensator für den notwendigen Gleichlauf sorgt. Der Abgleich ist nicht ganz einfach. Das ZF-Filter kann mit mehreren Bandfiltern und Keramikfiltern konstruiert werden. Dadurch entstehen wieder zusätzliche Abgleicharbeiten.
Das Konzept mit einer hohen ZF und Quarzfiltern: Setzt man die ZF genügend hoch, reicht ein einfaches Tiefpass am Eingang aus, um die Spiegelfrequenz zu unterdrücken. Bei einer hohen Zwischenfrequenz (ZF) erhält man mit normalen Spulenbandfiltern allerdings keine genügend schmale Bandbreite von etwa 5 bis 9 kHz für den Empfang von AM-Rundfunksendern. Deshalb wird oft ein Doppelsuper verwendet. Im ersten Schritt wird für eine hohe Spiegelfrequenzunterdrückung auf eine hohe ZF gemischt, die dann wieder auf eine niedrige ZF heruntergemischt wird, um schmalbandige Filter einzusetzen. Das erschien mir aber zu aufwendig.
Blockschaltbild des hier beschriebenen Superhets für Mittelwelle.
Quarz-Ladder-Filter sind die Lösung: Diese Quarzladderfilter bestehen aus mehreren Quarzen und liefern selbst bei hoher Zwischenfrequenz genügend Trennschärfe. Sie sind allerdings in der Regel zu schmalbandig für den AM-Empfang und werden deshalb gerne für SSB (Bandbreite meist 2,4 kHz) oder CW (Bandbreite 100 bis 500 Hz) gebaut. Es gibt aber die Möglichkeit durch Kompensationsmaßnahmen sie in einer Bandbreite von maximal 0,1% der Mittenfrequenz herzustellen. Das wären bei einer ZF von 10 MHz als 10 kHz. Um ein solches Filter möglichst perfekt herzustellen, gibt es Berechnungsprogramme und sämtliche Quarze sollten sich innerhalb enger Toleranzen bewegen. Deshalb müssen für ein Quarzfilter mit 6 Quarzen etwa 30 Quarze ausgemessen werden. Nicht jeder hat dafür die Zeit und die Messtechnik. Diese Lösung scheint also nicht für jeden Hobbyelektroniker geeignet zu sein.
So klingt das Mittelwellen-Radio an einem 30 m langen Draht als Antenne an einem Oktobermorgen gegen 9:00 Uhr, wenn die Tagesdämpfung anfängt sich bemerkbar zu machen. Der Standort liegt etwa 150 km südwestlich von Stockholm in Schweden. In den Abendstunden ist der Empfang wesentlich besser.
In meiner Bastelkiste fand ich drei PAL-Quarze mit einer Frequenz von 4,43-MHz aus alten Farbfernsehern, mit denen ich ein Ladderfilter aufbaute. Die Quarze zeigten untereinander erhebliche Abweichungen und wie zu erwarten, erhielt ich eine viel zu schmalbandige Filterkurve von etwa 3 kHz, die zudem im Durchlassbereich Höcker aufzeigte. Nach unten verbreiterte sich zudem die Durchlasskurve. Das Filter ist also alles andere als ideal. Dennoch dachte ich einen Versuch zu wagen und baute damit einen einfachen AM-Empfänger für Mittelwelle auf, wie er nachfolgend vorgestellt ist. Die Klangqualität und die Trennschärfe waren dennoch erstaunlich gut, obwohl die Quarze nicht ausgemessen wurden und das Filter nur nach Gehör abgeglichen wurde. Selbstverständlich sind auch ander Zwischenfrequenzen denkbar, wenn diese nicht gerade auf einem Rundfunkband liegen. Dann würden starke Rundfunksender nämlich durchschlagen.
Konstruktiver Aufbau in bewährter Bastelchaostechnik auf einem Steckbrett und Platinmaterial mit gefrästen Lötinseln.
Die Schaltung: Die Schaltung eines Einfachsupers für Mittelwelle mit einer ZF von 4,43 MHz ist ein erster Entwurf, der dennoch erstaunlich gute Ergebnisse liefert. Was noch fehlt, ist eine automatische Schwundregelung. Zudem wurden fast alle Teilschaltungen auf einem Steckbrett realisiert. Dadurch ist zum Beispiel die Dämpfung im Sperrbereich des ZF-Filters wegen einer suboptimalen Masseführung nicht besonders gut gelungen.
Das Eingangsfilter mit einem Antennenabschwächer. Der Aufbau erfolgt mit Festinduktivitäten. Die Werte sind unkritisch. Ein Abgleich ist nicht notwendig.
Der Mischer und der Oszillator wurden mit einem SA602 realisiert. C6 verkürzt den viel zu großen 500pF-Drehkondensator. Mit C5 wird das untere Bandende eingestellt. L4 ist eine Festinduktivität von 10 uH. Das Wickeln und Abgleichen von Spulen entfällt. Selbstverständlich ist auch eine Lösung mit einer Kapazitätsdiode denkbar.
Bauteilewerte des Oszillators für Mittelwelle und einer ZF von 4,4 MHz: C10 = 47p; C9 = 47p; C5 = 22p; C4 = 44p; L4 = 10uH; C6 = Drehko 26 – 535pF. Mit diesen Werten habe ich ohne Trimmkondensatoren das Mittelwellenband ganz gut treffen können. Oben und unten fehlen allerding 100 kHz des Mittelwellenbandes.
Das Quarzfilter. C7 und C8 werden nach Gehör eingestellt.
Die AM-Demodulation. Ein SA602 wurde hier als Synchrondemodulator geschaltet. Für T1 geht fast jeder NPN-Silizium-Kleinleistungstransistor.
Der NF-Vorverstärker hebt das NF-Signal um etwa 20 dB an. Ihn habe ich nachträglich eingebaut. Für T2 gehen fast allte Silizium-NPN-Kleinleistungstypen mit einem B von mindestens 300. Mit P2 wird die Lautstärke eingestellt.
Diese bewährte NF-Endstufe ist unter 2-Watt-Verstärker mit einem TBA820M beschrieben.
Das Netzteil. Die 12 Volt dürfen sich in der Praxi zwischen 10 und 15 Volt bewegen. Die stabilisierten 5 Volt sind für die beiden SA602 notwendig.
In welcher Reihenfolge baue ich den Empfänger auf? Immer von hinten nach vorne entgegen der Signalrichtung. Zuerst wird das Netzteil aufgebaut und dessen Spannungen geprüft.
Dann kommt die NF-Endstufe an die Reihe. Berührt man den Eingang der Endstufe, also den Punkt "E", mit dem Finger, muss es laut aus dem Lautsprecher brummen.
Nun wird der Vorverstärker aufgebaut und angeschlossen. Bei aufgedrehtem Lautstärkepoti muss es brummen, wenn ein Finger den Punkt "D" berührt.
Der nächste Schritt gilt dem AM-Demodulator. Schließen wir mindestens 7 m Draht als Antenne direkt an den Punkt "C", müssen wir in den Abendstunden ein Gewirr von vielen Sendern hören. Vielleicht schlägt auch ein Ortssender auf Mittelwelle durch.
Dann bauen wir das Quarzfilter auf. Es sollte auf einer Platine mit großer Massefläche aufgebaut werden, damit eine hohe Sperrdämpfung erreicht wird. Wenn wir Glück haben, hören wir an seinem Eingang, also am Punkt "B", einen Sender, wenn wir eine Antenne anschließen. Mit einem amplitudenmodulierten Prüfsender auf 4,43 MHz müssten wir einen Piepston im Lautsprecher vernehmen.
Nun kommt der Mischer und Oszillator an die Reihe. Am Pin 7 des SA602 können wir mit dem Oszilloskop (Tastkopf verwenden) überprüfen, ob der Oszillator im gesamten Bereich schwingt. Wenn wir am Punkt "A" eine Antenne anschließen, müssten wir in den Abendstunden auf viele Mittelwellensender abstimmen können. Da das Vorfilter fehlt, könnten wir auch Kurzwellensender auf der Spiegelfrequenz empfangen.
Zum Schluss schließen wir das Tiefpassfilter an. In den Abendstunden müssten dann viele Sender zu empfangen sein. Die beiden Trimmer des Quarzfilters werden auf maximal Lautstärke und einem angenehmen Klangeindruck eingestellt. Wenn wir keinen Messsender zur Verfügung haben, versuchen wir mit Hilfe uns bekannter Mittelwellensender durch Verdrehen von C4 und C5 die Bandgrenzen des Mittelwellenrundfunkbandes zu treffen.
Vorderansicht des Versuchsaufbaus.
Das Vorfilter wurde wegen der großen Massefläche auf einer Platine in der Lötinseltechnik (Ugly Construction) realisiert.
Der Mischer-Oszillator in wilder Verdrahtung auf dem Steckbrett. Am linken Bildrand ist die Festinduktivität des Oszillators zu erahnen.
Das Quarzfilter ist wieder wegen der notwendigen großen Massefläche mit der Lötinseltechnik aufgebaut. Die beiden grünen Potis wurden nicht eingesetzt.
Aussehen der Filterkurve des Quarzfilters. Der Eingang ist mit etwa 1500 Ohm abgeschlossen. Durch die logarithmische Darstellung wirkt die linke Flanke flacher als sie in Wirklichkeit ist. Die hohe Einfügedämpfung von -40 dB hat ihre Ursache in den beiden Widerständen für die Anpassung. Die Ich schätze die tatsächliche Einfügedämpfung auf etwa -3 dB. Die angezeigte Sperrdämpfung von maximal 80 dB ist durch die Messung bedingt.
Nachtrag vom 7. Oktober 2013: Mit der Filterkurve war ich nicht zufrieden, da sie eine schlechte Weitabselektion besitzt, die zum Durchschlagen starker Sender führt. Ich habe nun dieses Filter wesentlich verbessert und unter http://afu.boards.net/post/666/thread vorgestellt. Es kommt ebenfalls mit 3 PAL–Quarzen aus und kann von Hand mit dem FA-NWT abgeglichen werden.
Der AM-Demodulator. Ganz rechts im Bild ist der Festspannungsregler 78L05 zu sehen.
Experimente und Verbesserungen: Die Schaltung ist brauchbar, aber noch nicht optimiert. Dafür lässt sie sich mit einem Minimum an Messaufwand realisieren. Eine zusätzliche HF-Stufe und eine ZF-Verstärkung mit Schwundregelung wäre wünschenswert. Wer die entsprechende Messtechnik hat, kann das ZF-Filter wesentlich verbessern. Andere Zwischenfrequenzen sind denkbar.
Erste Erfahrungen mit dem Umbau auf eine ZF von 10 MHZ: Inzwischen habe ich ein Quarz-Ladderfilter mit sechs 10-MHz-Quarzen aufgebaut. Dazu habe ich die Quarze wie unten beschrieben ausgemessen und mit dem Programm Dishal berechnet. Schwierig war es den Frequenzbereich des Oszillators zu treffen. Diesmal habe ich mich für eine Untermischung entschieden. Das heißt, die Oszillatorfrequenz liegt unterhalb der Zwischenfrequenz.
Durch die höhere Einfügedämpung (Dämpfung im Durchlassbereich) ist das Radio nun unempfindler. Allerdings ist die Trennschärfe ausgezeichnet. Leider klingt der Ton durch die Filterbandbreite von etwa 7 kHz dumpfer. Durch einen kleineren Koppelkondensator im NF-Zweig können die Bässe aber reduziert werden, wodurch der scheppernde Klang verschwindet. Die Sprachverständlichkeit ist dann ausgezeichnet wie beim Telefon.
Allerdings rächt sich nun die wilde Verdrahtung des Aufbaus bei einer ZF von 10 MHz. Es treten nun Probleme auf, die es bei einer ZF von 4,4 noch nicht gab. Der Drehkondensator zeigt sich handempfindlich. Der Empfang ist stark verbrummt, obwohl der Empfänger an einem 12-Volt-Bleigel-Akku betrieben wurde. Brummfreier Empfang war möglich, wenn das Radio nicht geerdet war und der Minuspol des Akkus und die Antenne (30m Draht) direkt an der Masse des Drehkondensators angebracht wurden. dann reichten 10 cm Draht als Antenne aus. Dann war das Radio so unempfindlich, dass nur in den Abendstungen der Empfang möglich war.
Ich werde deshalb das Radio modulweise auf Platinenmaterial und kleinen Lochrasterplatten neu aufbauen. Als Grundfläche dient Leiterplattenbasismaterial, welche eine große Massefläche liefert. Die Module können dann leicht ausgetauscht werden.
Konstruktion und Dimensionierung von Quarz-Ladder-Filtern: Für die Trennschärfe und die Klangqualität ist die Konstruktion des Quarz-Ladderfilter entscheidend. Das von mir eingesetzte Quarzfilter ist sehr primitiv ausgefallen und ist ohne Messmittel entstanden. Um so mehr wundert es mich, dass es überhaupt eine vernünftige Klangqualität und Trennschärfe abliefert.
Diese Quarz-Ladder-Filter können aber mit nahezu rechteckförmiger Durchlasskurve von einer Breite bis zu 0,1% der Mittenfrequenz hergestellt werden bei einer Sperrdämpfung besser als 70 dB. Damit dies gelingt, dürfen nur eng tolerierte Quarze hoher Güte verwendet werden. Etwa 5 bis 7 Quarze müssen ausgemessen werden, um einen passenden zu finden. Die Berechnung kann mit dem kostenlosen Programm "Dishal" verwendet werden. Sehr viele Arbeiten zur Dimensionierung von Quarz-Ladder-Filtern hat DJ6EV geleistet. Neu für mich war, dass auch AM-Filter mit genügender Bandbreite nach dieser Methode hergestellt werden können.
Wie Quarz-Ladder-Filter nach DJ6EV optimiert werden können, ist unter
http://elektronikbasteln.pl7.de/quarz-ladder-filter-konstruieren.html
ausführlich beschrieben.
Warum findet man dieses Konzept mit den Quarz-Ladder-Filtern nicht in alten "Dampfradios"? Ein Schwingquarz kostete in den 60er Jahren übrigens noch um die 30 DM bei einem damaligen Monatslohn von etwa 200 DM. Alleine die Materialkosten hätten schon einen Monatslohn verschlungen. Kein Wunder, dass solche Quarzladderfilter unerschwinglich waren. Außerdem gab es abgesehen von den PCs noch keine Programme für die Berechnung. Die Berechnungsmethode nach Dishal wurde erst später entwickelt. Für das Ausmessen der Quarze ist ein digitaler Frequenzzähler notwendig, der damals extrem teuer war. Alles in allem war dieses Konzept selbst für kommerzielle Empfänger noch in den 60er Jahren nun unerschwinglich. Schwingquarze wurden einzeln als Telegrafie- und SSB-Filter mit umschaltbarer Bandbreite eingesetzt.
Datenblätter für den SA602A und SA612A: Es können beide Typen eingesetzt werden.
- http://www.stanford.edu/class/ee133/appnotes/AN1982.pdf
- http://www.nxp.com/documents/data_sheet/SA602A.pdf
- http://www.nxp.com/documents/data_sheet/SA612A.pdf
- http://www.stanford.edu/class/ee133/datasheets/SA612A.pdf
Hier geht es weiter zur Fortsetzung des Projekts!