17. August 2025 (letzte Aktualisierung am 18.8.25 7:48)
Wer denkt, Video-Telefonie unter Linux sei ein Kinderspiel, liegt daneben. Zwischen instabilen Programmen, überforderten Notebooks und kryptischen Menüs habe ich so ziemlich alles ausprobiert, was der Markt hergibt. Am Ende stand ich kurz davor, die Webcam aus dem Fenster zu werfen – bis ich das Linphone-AppImage entdeckt habe.
Video-Calls unter Linux – das klingt einfacher, als es ist. Ich verwende Ubuntu Mate 24.04 und bin damit sehr zufrieden. Es läuft auf meiner alten Hardware schnell und flüssig. Es hat aber seine Grenzen. Wer schon mal versucht hat, mit den üblichen Verdächtigen wie Zoom oder Jami ins Bild zu kommen, weiß, dass es schnell in Frust ausarten kann. Mein altes Notebook fängt bei Zoom an zu keuchen wie eine Dampflok. Jami wollte ich eine Chance geben, aber am Ende liefen nach der Deinstallation immer noch irgendwelche Prozesse im Hintergrund weiter, die sich nur mit viel Geduld und Fluchen entfernen ließen. Auf Jami laufen auch nicht die SIP-Accounts meines eigenen Asterisk-Serves. PhonerLite unter Wine Läuft tadellos, aber von Haus aus leider ohne Video. MicroSip kann Video, aber bei mir nicht unter Wine. Ekiga habe ich mir aus Selbstschutz gar nicht erst angetan. Es ist veraltet und wird nicht mehr gepflegt. Eine Linux-Version habe ich nicht gefunden.


Und dann kam Linphone ins Spiel. Erst der totale Reinfall: die normale Installation war instabil und hat mir fast die Lust am Experimentieren verdorben. Aber: es gibt ein AppImage! Kein Installieren, kein Zerpflücken des Systems, einfach runterladen, ausführbar machen und starten. Ein Klick, und schon läuft die Sache. Alle Versionen gibt’s übrigens nicht gebündelt auf einer Linphone-Seite, für alle, die genauso neugierig oder masochistisch veranlagt sind wie ich. Man muss sich die entscheidenden Infos auf den verstreut liegenden Linphone-Seiten herausfischen. Hier gibt es die AppImages:
https://download.linphone.org/releases/linux/app/
Mehr zu AppImages: https://chatgpt.com/share/68a0da91-ee70-8013-9a7b-ab4184374b39
Jedenfalls braucht man auch eine Linphone-Nummer für zuverlässige Video Telefonate. Die Anmeldung läuft über die Linphone-Webseite, und die Nummer besteht nur aus Ziffern, wenn man will. Klingt langweilig, ist aber praktisch, weil man sie auch auf anderen Softphones oder im Asterisk nutzen kann:
https://subscribe.linphone.org/login
Achte also darauf, dass der Benutzername nur aus Nummern besteht. Dann klappt eine Linphone-Nummer sogar mit alten Wählscheibentelefonen. Für die Registrierung brauchst du eine gültige E-Mail-Adresse.
Die Video-Calls selbst? Nun ja, die laufen bei mir ausschließlich zwischen Linphone-Accounts. Mit anderen SIP-Anbietern scheint Video eher Glückssache zu sein. Immerhin: es ist die einzige Lösung, die bei mir unter Linux stabil läuft, ohne dass ich mein System demolieren muss.

Die Oberfläche ist alles andere als selbsterklärend. Man klickt sich ein bisschen verloren durch Menüs, die offenbar historisch gewachsen sind – mit viel Geduld und einem leichten Sinn für Abenteuer kommt man aber ans Ziel. Dafür ist Linphone komplett kostenlos, Open Source und ohne Werbung. Das ist schon mal eine Ansage.
Mein Fazit: Linphone ist kein Selbstläufer, aber wenn man sich durchkämpft, hat man am Ende eine funktionierende Möglichkeit für Video-Calls unter Linux. Stabil, systemschonend und mit einem gewissen Nerd-Faktor. Wer’s ausprobiert, sollte nur einen kühlen Kopf bewahren – oder gleich einen Ventilator neben den Laptop stellen, falls der Kopf irgendwann anfängt zu rauchen.
Linphone auf dem Smartphone: Das ist schon eine andere Welt. Die neue Version der Linphone-App für Android halte ich für sehr gut. Sie läuft stabil, erlaubt die Anmeldung mehrer SIP-Accounts unterschiedliche Anbieter und Video zwischen SIP-Accounts von Linphone ist auf jeden möglich und läuft stabil. Nur die Bedienung verlangt eine etwas nervige Eingewöhungsphase. Die gute Nachricht: Wenn du Linphone zum Laufen bringst, kannst du nicht dement sein.


Für Videotelefonate benötigt man ein Headset, da sonst der Ton mit der Freisprecheinrichtung grauenhaft wäre. Videotelefonate sind mir nur mit den SIP-Accounts von Linphone gelungen. Auf älteren Versionen von Linphone klappte das auch mit den Accounts meines Asterisk-Server.
Linphone für Android gibt es kostenlos und werbefrei im Google Playstore.
Alternative PhonerLite: PhonerLite halte ich für das beste SIP-Softphone unter Windows. Auf Linux unter Wine läuft es bei mir ausgezeichnet.

Es lassen sich mehre SIP-Accounts einrichten. Verschlüsselung ist möglich, wenn es der Server anbietet. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist mit dem Provider AntiSip möglich. Leider ist Video nicht vorgesehen.
Das Softphone Phonerlite auf dem Laptop unter Windows und Linux: Noch besser ging es allerdings mit einem 15 Jahre alten Laptop mit Ubuntu Mate als Linux-Betriebssystem. Auf ihm war unter Wine PhonerLite installiert. Das ging mit einem USB-Headset sehr gut und lieferte eine perfekte Sprachqualität. Die Verbindung ins Internet kam über das Smartphone zustande, das als WLAN-Hotspot diente. Das Smartphone konnte ich so positionieren, dass die Verbindung auch noch bei schwachen Mobilfunkfeldstärken stabil funktionierte.
